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süben Aepfel zu verlangen und damit den Baum selbst zu gesährden. Das
ist der Standpunkt, der richtige Staudpunkt der Herren (auf den Abgrord-
neten Dr. Braun-Wiesbaden deutend). Er hat uns gewarnt, wir sollten
nicht den Reichstag zum bloßen Registrator der Beschlüsse der Regierung
machen. Haben wir es denn bieher gethan, meine Herren? Erinnert
sich das geehrte Mitglied nicht an seine eigenen Verdienste, die er
durch mehrsache von ihm vorgeschlagene und demnächst vom Reichstage an-
denommene Amendements in den Entwurf hineingebracht hat? Soll
ich ihn erinnern an die verschiedenen Zusätze zu Artikel 4, die melner
Ansicht nach wesentliche Verbesserungen sind? Soll ich ihn erinnern an das,
was wir in der heutigen Sitzung noch beschlossen haben, an die Zulässig-
keit wahrheitsgetreuer Berichte über die Verhandlungen des
Reichstages? Und darf ich dem verehrten Mitgliede nicht entschieden
widersprechen, wenn es uns heute ausdrülcklich gesagt hat, der Reichstag hätte
es abgelehnt, die Ministerverantwortlichkeit mit Präcision in den
Entwurf hineinzubringen? Ist nicht von mir und meinen Freunden ein
Amendement auegegangen, was auch die Zustimmung des verehrten Mit-
hliedes erhalten hat, das auedrlicklich sagt, daß der Bundeskanzler durch die
Gegenzeichnung der Verflggungen des Bundesprüäsidiums die Verantwortlich-
keit dafür libernimmt? Ist das etwa keine Verantwortlichkeit, und glaubt
das verehrte Mitglied, daß der Apfel sehr viel süßer geworden wäre, wenn
wir den ferneren Zusatz seiner Freunde angenommen und etwa gesagt hätten,
die Verantwortlichkeit solle durch künftiges Gesetz gerrgelt werden? Glaubt
er, daß damit etwas Wesentliches erreicht wäre für die gegenwärtigen
Besugnisse des Reichstages und liberhaupt für die Inanspruchnahme der
Berantwortlichkeit, so lange bis das Gesetz endlich erschienen sein wird Das
Gesetz vorzuschlagen, das bleibt ihm in jedem künftigen Reichstage, dem er —
so Gott will! — noch recht lange beiwohnen wird, unbenommen, und die
bloße Berheißung hineinzunehmen, kann der Verantwortlichkeit von seinem
eigenen Standpunkte aus keine größere Präcision geben. Ich vermag also
für meine Person nicht einzusehen, wie man uns warnen kann, den Reichs-
tag zum Registrator zu machen. Im Uebrigen, meine ich, hat das ver-
ehrte Mitglied den Werth der Zeit, auf den es in seinen ersten Reden
bei der allgemeinen Discussion noch ein größeres Gewicht zu legen schien,
meiner Ansicht nach jetzt etwas unterschätzt. Ich will davon nicht reden,
doß es meiner Ansicht nach nicht wohlgethau ist, daß etwa der Reichstag
durch den Widerspruch der Regierung gegen die Annahme eines bestimmten
Artikels sich nicht abweuden läßt, in der Vorberathung dennoch diesen Artikel
zu beschlleßen und daß man nachher, wenn es sich bei der Schlußberathung
zeigt, daß wegen einer solchen untergrordneten Bestimmung das ganze Werk
gefährdet sein könnte, seine Ansicht modiflcirt und den Artikel schließlich ver-
wirft. Denn wenn man mit Bestimmtheit voraussehen kann, daß einzelne
Bestimmungen für die Regierung unannehmbar sind, und wenn man der
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