Artikel 24. 26. 26. Bincke--K. 111
doß die Volksvertreter nicht jeden Augenblick der kurzen Wahlperiode
nach ihren Committenten schielen und bei ihren Reden und Abstim-
mungen darauf speculiren möchten, ob sie auch nach Ablauf der
3 Jahre wieder gewählt werden. Denn bel dreijähriger Wahlperiode
werden die Volksvertreter im ersten Jahre kaum ihre Gesinnung besestigen;
im zweiten Jahre kann man ziemlich auf sie rechnen; im dritten Jahre aber,
wie wird es dann mit ihrer Popularität werden? Sie werden sich sagen
müssen, wenn wir so und so stimmen, ist unsere Popularität geföhrdet, und
danach werden sie ihre Reden und Abstimmungen eimichten. Einer solchen
Stimmung im Reichstage haben wir entgegentreten wollen, und das hängt
mit dem allgemeinen Wahlrecht selbst nur lose zusammen. Ich denke, die
Berdienste des Englischen Parlamente beruhen wesentlich darin,
daß sich eine gewisse Solidität, eine Consequenz der Meinungen im
Parlament festgesetzt hat, die nicht von drei zu drei Jahren umschlägt. Ich
will nicht auf die Geschichte der ein zelnen Landtage eingehen, aber — wie
wir dies oft genug in unserem Landtage erlebt haben — ein Umschlagen der
Meinuigen von drei zu drei Jahren von rechts nach links, von links nach
rechts, das halte ich für die Consistenz des Ganzen nicht für ersprießlich.
Wenn man wieder von dem Gegensatz zu den Einzellandtagen gespro-
chen hat, nun, meine Herren, ich wünsche nicht, daß er existirt, aber da ein sol-
cher Gegensatz doch existiren kann, so ist es doch wünschenswerther, daß
dann die Wahlperioden nicht geradezu zusammen fallen. Ich glaube
außerdem, meine Herren, der verehrte Abgrordnete für Osnabrück hat Recht,
wenn er sagt, daß die ewig fortdauernde Agitation, das zu häufige
Wählen, abgesehen von dem Producte der Wahlen für den Reichstag,
doch auch im Lande ihre großen Bedenken hat. Dem daß diesenigen,
welche das allgemeine Wahlrecht ausüben, durch eine zu ofte Wiederkehr dieser
Auslibung des Wahlrechts auch abgestumpft werden für das, was sie eben
zu oft zu üben haben, das beruht auf einer Erfahrung der mernschlichen
Natur, dah man durch zu häufige Wiederholungen das Instrument schwächt.
Das würde also entschieden für unsern Antrag sprechen. Und, meine Her-
rem, ganz wesentlich spricht es dafr, daß nicht immer die Wahlperioden
zusammenfallen, daß man nicht alle drei Jahre z. B. in Preußen — ich
weiß nicht wie die Wahlperioden der andern mit uns verbündeten Deutschen
Staaten sind — daß man also z. B. in Preußen nach Ablauf des Trien-
niums nicht sowohl für den Reichstag als für den Laudtag zu wählen hat.
Daß eine solche gleichzeitlge doppelte Wahl nach verschicdenen Richtungen hin
auseinandergezogen nicht ersprießlich ist, namentlich so lange sie auf einer
verschiedenen Basis beruht, so lange wir für den Reichstag nach dem all-
##meinen Stimmrecht, und für den Preußischen Landtag nach dem Dreiklassen-
söstem wählen, das brouche ich Ihnen wohl nicht erst zu beweisen. Diese
Rücksicht vindicirt auch einen Vorzug unseres Amendements vor dem
Amendement derjenigen Herren, die sechs Jahre beschlossen wissen wollen.