Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Ar#ikel 24. 25. 26. kasker. 119 
jährige Leglslaturperiode in eine längere zu ver wandeln, viel- 
leicht hat sie auch gefrchtet, man könnte darin ein Mißtrauen 
hegen das wählende Volk finden. Und nun sehen wir, daß nicht 
blos die Conser vativen, sondern auch diejenigen, welche mit den 
Lideralen dieher noch einigen Zusammen hang haben, ein Amende- 
ment einbringen, welches dieses Vertrauen gegen das Volk verkürzen und 
abschwächen will. Wie kann sich da der Abgeordnete für Hagen 
wundern, wenn ein liberales Mitglied auftritt und fagt: Ihr 
habt ein Amendement eingebracht, das eine Verschlechterung des Ent- 
wurfes ist? Namentlich wenn das Mitglied hinzusetzt, wie es der Abgeordnete 
für Osnadrück gethan hat, das Amendement sei seiner Meinung nach 
eine Verschlechterung. Das ist ja ganz selbstoerständlich, das derjenige, der 
gegen ein Amendement spricht, offendar es für eine Verschlechterung hält. 
Der Herr Adgeordnete für Hagen hat ganz Recht, daß man zuweilen das 
Amendement auch mit „Verdesserungsantrag" bezeichnet, aber dann folgt eben 
so sehr daraus, daß derjeuige, der einem Amendement entgegentritt, es nicht 
für einen Verbesserungs-, sondern für einen Vorschlechterungsamtrag hält, 
und ich sage, — ich. will dies stark betonen, — daß vielleicht mit der eln- 
zigen Ausnahme des Grasen Schwerin, unter meinen politischen Freunden, 
soweit ich Rücksprache genommen hade, die vorliegende Frage für uns 
ersten Ranges ist, daß wir darauf ein ganz außerordentliches Gewicht auf 
ihre Entscheidung legen und meinen, die Verfassung würde sehr wesentlich 
verschlechtert, und viele Freunde würden dem Entwurf abwendig gemacht wer- 
den, wenn die Legislaturperiode in der vorgeschlagenen Weise verlängert wer- 
den sollte. Ich will nun noch folgenden sachlichen Grund anführen. Gerade 
jetzt, wo wir die Ueberzeugung vor uns haden, daß der Preußische Einfluß 
in den verblndeten Löndern zu kämpfen hat gegen viele andere Interessen, 
scheint es mir nicht rathsam, eine Legislaturperiode einzuführen, welche auf 
sechs Jahre hinaus diesen Einfluß mit hineintellge in den zukünftigen Reichs- 
tag. Wir werden wohl schon in diesem Jahre zur Wahl für den definitiven 
Reichstag schrelten müssen, und es ist sehr wahrscheinlich, daß die hochgehen“ 
den Wogen bis dahin noch nicht ganz beruhigt sein werden. Ist es im 
Preußischen Interesse oder im Interesse der Einheit, gerade während dieser 
hocherregten Zrit eine Wahl vollziehen zu lassen, welche sechs Jahre hindurch 
wirksam sein müßte? Ich würde weniger dagegen haden, wenn der Preußi- 
schen Regierung allein das Recht der Auflösung zustände; mich würde dann 
die feste Uederzeugung trösten, daß die Regierung zur rechten Zeit zur Auf- 
lösung schreiten würde, wenn der erste Reichstag mißlungen sein sollte. Der 
Bundesrath moß aber seine Zustimmung zur Auflösung geben; es würde 
also dieses Correctiv nicht in seiner Reinheit destehen, sondern es würden 
dem Particularis mue die beiden Dinge hüdsch musammenstimmen. Zuerst 
wird gewählt, die Elemente widerstrebender Natur fünden Platz, und dann 
können diese möglicherweise gekräftigt werden durch den Bundesrath, der seine
	        
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