Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

126 Neichstag 
lichen Sachen des Staates zu thun. Dieser hier hat über ebenso wesent- 
liche und ebenso große Sachen eines etwas größeren Ganzen, was aber doch 
immer im Wesentlichen der Preußische Staat bleibt, zu versügen. Könnten 
wir denn das, wenn aus der Sache überhaupt was Gutes wird, nicht sehr 
gut so verrinigen, daß diejenige Körperschaft, welche als Reichstag gewahlt 
wird, zugleich repräsentirt das Preußische Abgeordnetenhaus? So brauchen 
wir bloß unsre Verfassung zu ändern. In diesem Falle wäre gleich- 
zeitig allen jenen Sorgen vorgebeugt, die wegen dieser vielen und doppelten 
Wahlen erhoben sind, und die Sache wäre auf eine Art in Ordnung ge- 
bracht, die wirklich auf einige Dauer wohl Anspruch machen könnte. Wenn 
Sie das thun, so sallen alle jene Bedenken weg; thun Sie das aber nicht, 
dann sehe ich nicht ein, warum für diese beiden Körperschaften nicht gleich- 
zeitig gewählt werden könnte. Ich würde es sogar für fehr gut hal- 
ten, daß die eine Körperschaft vor oder nach der anderen tagt, 
damit es dem Volke nicht benommen wäre, demselben Abgcordneten das Ver- 
trauen für beide Körperschasten zu UÜbertragen. Alle solche Sachen liegen 
hier nicht vor und sind nicht von Erheblichkeit, wenn die Frage irgendwie 
prinzipiell wichtig wäre. Sie ist es aber in keinem Falle und unter keiner 
Bedingung in der Art, wie sie hier vorliegt. Es ist durchaus nicht 
wahr, daß deshalb, weil gegenwärtig eine gewisse Meinung 
existirt, man diese Meinung auf 5oder 6 Jahre ale die geltende 
politische anzusehen habe. Es ist offenbar richtiger, sie auf einen ge- 
wissen Zeitraum zu beschränken. Und der Zeitraum von drei Jahren ist 
ein geeigneter Mittelsatz zwischen einem kürzeren und jenem, und dieser 
Mittelsatz hat sich in unserem Lande bewährt; er ist auch, nachdem er vom 
Proußischen Ministerium und von uns vorgeschlagen, in die Relchsverfassung 
aufgenommen. Warum nun davon abgehen? Doch wohl zu keinem andern 
Zwecke, als um eine gewisse Art von Majorität, die man jetzt zu erlangen 
glaubt, sich für die Zukunft zu sichem. Solche Sorge follten Sie der Ne- 
gierung überlassen. Diese schlägt Ihnen drei Jahre vor, sie will also nicht 
mehr haben als drei Jahre, wollen Sie vorsorglicher sein, als die Regierung 
es selbst ist? Das ist doch ganz etwas Ungewöhnliches für confervative Her- 
zen und für conservative Anträge. (Bravo! links.) Meine Herren! Es 
handelt sich hier in der That um ein wichtiges Princip, und je mehr Sie 
wünschen, daß der Relchstag die Bedeutung habe, die ich für ihn von Her- 
zen wünsche, die aber noch eine gelinde Umarbeitung des Entwurses voraus- 
setzt, um so mehr ist es nothwendig, daß er mit seiner Mutter, d. h. dem 
Volke, in Verbindung bleibe. Sie werden es nicht durch irgend ein künst- 
liches Mittel erreichen, daß diese Verbindung hergestellt werden könnte, wenn 
sie einmal in der öffentlichen Melnung vernichtet ist. Wenn man Über 
den Reichstag zur Tagesordnung übergeht, so ist es gleichgültig, 
ob er noch zwei Jahre ein fieches Leben führen kann, während ihm 
Jeder schon das Sterbeattest ausgestellt hat. Ich setze voraus, daß mal
	        
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