158. Neichsiag.
dieser Ueberzeugung gekommen ist, dessen Politik — verzeihen Sie mir —
ist nicht viel besser als das nutzlose Klappern eines Rades mit zerbrochenem
Stabe. Meine Herren! Sie versichern uns zwar hin und wieder, daß Sie
bereit wären, wenn es wirklich noth thäte, Ihrr Ueberzeugungen dem Zustande-
kommen des Werkes unterzuordnen, daß, wenn wirklich Gesahren drohten,
Sie sogleich sehr opferbereit sein würden. Meine Herren! Ich weiß sehr
wohl, daß wir uns nicht vor jedem aussteigenden Wölkchen am Horizont zu
fürchten branchen, gestlitzt auf unsere allgemeine Wehrpflicht, die wahrschein-
lich kaum irgend wo anders nachzuahmen ist. Aber vorläufig, meine Herren,
kann doch Niemand bestreiten, daß das Haus, das wir bauen wollen, noch
nicht unter Dach ist, und je mehr Sie die Sache verzögern durch beständige
Amendememts, je mehr Sie von dem Entwurfe, wie er uns gegeben ist, ab-
weichen, desto mehr werden Sie dazu beitragen, daß ein plötzlich hereinbre-
chender Sturm und Platzregen uns unter offenem Himmel finde. Wir,
was une hier (rechts) betrifft, wir und unserr Väter haben zu lange geleht
im Lande der Schulen und der Kasernen, im Lande des Lichtes und der Krast,
wir haben zu lange Hondlangerdienste gethan bei dem wahrhast liberalen
Ausbau des Staates Preußen, als daß wir jetzt bei der Fundamentlegung
Norddeutschlands Strike machen sollten. Wir sind keineswegs kopsüber in
den Strom hineingegangen, aber wir haben ohne sybaritische Scheu vor
Schwielen in der Hand das Ruder ergriffen und sind dem glänzenden Kiel-
wasser unseres großen Steuermannes in dem Strom des nationalen Lebens
gesolgt. (Bravo rechts.) Nur eine UÜbelwolleude und schlecht unterrichtete
Presse kann behaupten, daß wir auf dem Standpunkt des verknöcherten
Junkerthums stehen geblieben wären. (Doch! doch! links.) Es ist nicht
nur der Reiz, das Wort eines großen Mannes zu wiederholen, sondern es
ist die Wahrheit des Durchlebten, mit der ich es soge, daß wir uns ehrlich
und redlich bemüht haben, uns an den großen Zielen, die jetzt unser Volk
beschäftigen, auszurichten und die Mittel in die Hand nehmen, um dieses
Ziel zu erreichen. Aber, meine Herren, der Entwurf, wie er ausgearbeitet
ist von dem großen Baumeister, der giebt uns auch die Conturen, der giebt
uns auch die Linie, bis zu welcher wir geneigt sind, zu gehen und bis zu
welcher wir glauben gehen zu können. Wir haben das Vertrauen zu der
Regierung und die feste Hoffnung, daß die kunstgerechte und starke Hand
des Baumeisters es nicht leiden wird, daß wir dereinft verantwortlich ge-
macht werden, on der Aufrichtung eines Gebäudes wider Willen mit gebaut
zu haben, was bis zur Unkenntlichkeit von seinem Plane abweicht. Meine
Herren! Wir haben mit Ihnen gestimmt für das allgemeine Wahlrecht, aber
in der berechtigten Voraussetzung, daß dieses allgemeine Wahlrecht ohne
Diäten in das Leben treten soll. Wir erwarten daher auch von Ihnen
zuversichtlich, daß Sie Ihre Amendements für die Diäten werden fallen
lassen. (Lebhaftes Bruvo rechts.)