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Der Herr Ministerpräsideut hat heute allerdings gesagt, die Regicrungen
glaubten sich auf keine Bewilligung von Diäten einlassen zu können. Die
zustimmende Erklärung, die der Herr Bertreter der Königlich Sächsischen
Regierung abgegeben, hat mich allerdings weit mehr überrascht. Denn aus
sämmtlichen übrigen Staaten vom Königreich Sachsen an bis
zu dem kleiusten herunter, beziehen die Vertreter Diäten mit
alleiniger Ausnahme, soviel ich weiß, von Reuß ältere Linie und
Mecklenburg, den beiden Ländern, welche in der Regel eine Ausnahme-
stellung behaupten. (Heiterkeit. Ruf: Auch Anhalt!) Also drei Re-
gierungen — meinetwegen — machen eine Ausnahme. Deeshalb
überrascht es mich zu hören, daß sich jetzt sämmtliche Regierungen
gegen die Diäten erklären, zumal ich privatim von einer großen Zahl
gerade der Bertreter von kleineren Staaten gehört habe, daß in
den kleineren Staaten gerade am wenigsten Berständaiß dafür
vorhanden sei, wie man Jemandem zumuthen könne, langwierige öffeut-
liche Arbeiten zu übernehmen und dabei nicht einmal für seine baaren
Auslagen entschädigt zu werden. Dean darum allein handelt es
sich hier, meine Herren; es handelt sich nicht um eine Entschädi-
gung für Verluste, nicht um Schadloshaltung, sondern um Er-
satz barer Auslagen. Am wenigsten nun, glaube ich, ist in diese
Frage irgend wie die auswärtige Politik hineinzumischen; ich
halte es für überflüssig, in dieser Frage an den Patriotiemus von der einen
oder andern Seite zu appelliren, es scheint mir eine sehr concrete Frage der
Zweckmäßigkeit, die ich von meinem Standpunkte aus keineswegs als eine
politische Parteifrage betrachte, nicht eine Frage der poli#schen Abstraction,
sondern als eine, die nur nach den conereien, thatsächlichen Verhältnissen,
auf welche sie Anwendung findet, zu beurtheilen ist. Meine Herren, als das
Wahlgesetz dem Preußischen Landtage vorgelegt wurde, erklärte
die Königliche Staatsregierung ausdrücklich, es handle sich nur
um ein Wahlgesetz ad hoc, um ein Wahlgesetz für dieses erste consti-
tuirende Parlament; es solle nicht prüjudicirt werden der künftigen Gestal-
tung des Wahlgesetzes. Es wurde aus diesem Grunde auch gemahnt, man.
möge es mit der Discussion der Principien nicht zu genau und
gründlich nehmen, es solle nur für dies eine Mal gelten. Jeßtzt aller-
dings find diese Wahlgesetze auch für die Zulunft für maßgebend erklürt wor-
den. Es ist gewiß keine Frage von tiefeingreifenderer Bedeutung
aus das öffentliche Leben und die Gestaltung der politischen Verhältnisse als
dae Wahlgesetz, aus welchem die gesetzgebenden Versammlungen hervor-
gehen sollen. Es ist ein Alt der Entsagung, der einer Versammlung
zugemuthet wird, weun gewünscht wird, man solle nicht die all-
gemeine Principien frage discutiren, sondern das Bestehende anneh-
men. Aber in dieser Beziehung stimme ich dem Herru Ministerprä-
sidenten bei, wenn er gestern fragte, welches Wahlgesetz sonst hätte