164 Neichstag.
fragen, worin ich dem Abgeordneten Wagener vollständig beistimme, sondern
wir müssen uns lediglich an unsere Deutschen Verhältnisse halten und hier,
meine Herren, muß ich bestreiten, was ein auderer der geehrten Vorredner
sagte, wir sollten in Preußen und Demschland uns selbst treu bleiben. Ja,
wir werden uns gerade dadurch treu bleiben, daß wir Diäten zahlen und keine
Neuerung einführen. Bis jetzt ist in allen gewählten Landesver-
sammlungen, nicht bloh Preußens, sondern in ganz Deutsch-
land die Diätenzahlung üblich gewesen. Bei uns in Preußen
durch alle Instanzen. Die Mitglieder der Provinzial landtage er.
halten ihre Diäten, man nennt darum dieselben ebensowenig Vierthaler-
Männer, wie man die Mitglieder des Abgrordnetenhauses Dreithaler-
Männer nennt, außer, wenn es gilt, ihnen gelegentlich einen Seitenhieb bei-
zubringen. In der Theorie muß ich behaupten, daß nichts dagegen spricht.
Kein Punkt des Rechts und der Sittlichkeit kann dagegen ange-
fUührt werden, daß Diejenigen, welche die öffentlichen Geschäfte des
Volkes betreiben, für ihre Auslagen Ersatz erhalten. So gut die
Beamten bezahlt werden, können auch die Volksvertreter für ihre unmittel-
bare Geschäftsfhrung eine Entschädigung erhalten. Wenn kein prinei-
pieller Grund dafür spricht, sie auszuschließen, so kommt es ledig-
lich auf die Zweckmäßigkeitsfrage an. Ich möchte zugeben, daß es
ein wlünschenswerther Zustand wäre, wenn wir die Diäten entbehren könnten,
ohne daß wir zu befürchten brauchten, daß wünschenswerthe Kräfte, daß in-
telligente und gut qualificirte Personen ausgeschlossen würden. Ich behaupte
aber, das ist nach unsern Erfahrungen nicht der Fall, und ich glaube des-
halb, wir sind nicht in der Lage, noch weitere Mauftige Erfahr ungen
in dem Norddeutschen Reichstage zu sammeln, sondern haben
alle Veranlassung jetzt nach den bisherigen Erfahrungen unsere
Enkscheidung zu treffen. Mir scheint, die Frage liegt einfach so:
Giebt es, nicht einzelne Personen, sondern ausgedehnte Classen in
hinlänglichem Maße, welche gewöhnt sind, die öffentlichen Geschäfte des
Landes zu führen und welche zugleich im Stande und geneigt sind, in das
Parlament einzutreten, um hier die Angelegenheiten des Landes in höchster
Instanz zu betreiben? Ich glaube das verneinen zu müssen, ich glaube,
die Gewöhnung Deutschlands und namentlich Preußens, daß die öffent-
lichen Geschäfte Generationen hindurch fast ausschließlich durch ein bezahl-
tes Beamtenthum besorgt sind, hat die Ubrigen Classen in so großem
Maße entwöhnt, selbstthätig an den Geschäften des Laudes Theil
zu nehmen, daß es jetzt leider nicht möglich ist, ausgedehnte Classen
in hinlänglichem Maße zu finden, welchen das Volk geneigt wäre
das Vertrauen zuzuwenden, um die Geschäfte des Staates zu besorgen.
Das ist der tiefgreifende Unterschied mit England, wo zahlreiche
Classen seit Jahrhunderten gewöhnt sind, selbstthätig und zwar in den obe-
ren Instanzen die Angelegenheiten des Landes zu betreiben, von dem Friedens.