Artikel 32. Jungermann. 167
Mann wäre, nicht hierher gewählt, weil keine Diäten gezahlt werden, aber
darauf kommt es mir nicht an, denn seien Sie versichert, es benciden uns
Tausende um den Platz, den wir hier einnehmen. (Bravol) Was für mich
entscheidend ist, meine Herren, ist vielmehr der Umstand, daß wenn keine
Diäten gezahlt werden, sehr Wiele, die die unrechten Männer wären, nicht
hierher gewählt wlrden. (Sehr richtig!) Ich muß es überhaupt bestreiten,
daß man diese Frage zur politischen Parteifrage macht, dab man danach be-
messen will, ob die Vertretung des Reichstages künftighin in conservativem
oder in liberalem Sinne ausfällt. Jede Frage, die sich um die Auslibung
des Wahlrechks handelt, ist eine Frage mit doppeltem Gesicht, ist eine zwei-
schneidige Frage, und so wenig Sie die Garantie haben, daß das allgemeine
Wahlrecht, selbst wenn Diäten gezahlt werden sollten, stets für die Regie-
rung oder für die Oppositlon ein Resultat ergeben wird, so wenig können
Sie sagen, daß die Nichtzahlung von Diäten an Abgeordnete irgend welchen
nothwendigen Zusammenhang habe mit conservativen oder liberalen Principien.
Ja, ich gehe noch weiter, meine Herren, ich bin der festen Ueberzeugung, daß
ein Reichstag, der aus nicht besoldeten Abgeordneten besteht, in den meisten
Fällen seiner Aufgabe gemäß der Regierung gegenlber eine viel eutschiedenere
und viel festere Position einnehmen wird, als ein Reichstag, der aus besol-
deten Abgeordneten besteht. (Sehr richtig!) Die Vertretung des Volkes
gegenUber der Regierung, meine Herren, — ich kann das als bürgerlicher
Mann aussprechen — ist meiner Ansicht nach überhaupt ein aristokratischer
Beruf oder soll es sein. (Sehr richtig)) Es wird dadurch ulcht etwa eine
Aristokratie des Besitzes geschaffen. Die Aristokratie hat noch andere Auf-
gaben und Seiten als die, daß sie so und so viel Tausend Thaler jährlich
zu verzehren hat. Die Aristokratie ist zugleich eine Aristokratie der Intelli-
henz oder soll es sein, und auf diese Bahn wird — möchte ich behaupten —
die politische Entwickelung unseres Volkes einlenken, und deshalb — das sst
für mich der eigentlich entscheidende und durchschlagende Grund — bin ich
gegen die Zahlung der Diäten. Was wir vorerst als Abgeordnete im Reichs-
tage zu erstreben haben, meine Herren, das ist nicht das, daß diese oder jene
einzelne Frage in eonservetlvem oder liberalem Sinne entschieden wird. Die
Hauptfrage ist vielmehr . uns, ob der Reichstag Macht, ob er sociale po-
litische gesellschaftliche Macht hat, (Sehr richtig!) oder nicht; ich will diese
Macht haben und diesen Einfluß, sowohl nach unten wle nach oben. Ich
will als Abgeordneter von meinen Wählern mir nicht sagen lassen, daß mich
der Staat honorirt mit drei oder vier Thalern, (Bravol) aber aus dem.
selben Grunde will ich auch der Regierung gegenüber den Kopf hoch tragen
können und mir nicht vorrechnen lassen vom Finanzminister, daß jeden Monat
eine Zahlungsauweisung an die Staatskasse erfolge für die Herren Reichs-
tagsabgcordneten, welche die Opposition machen, auf so und so viele Thaler.
(Bravol) Das ist ein falscher Standpunkt und deshalb bekämpfe ich ihn.
(Sehr richtig!) Das gebe ich Ihnen allerdings zu, die Frage läßt sich nicht