222 Post- und Telegraphenwesen.
Schraps (Zwickau-Krimmitschau 2c.)?) Meine geehrten Herren, es sind
zwar gewiß Viele in diesem Saale sehr ersreut gewesen, aus dem Munde
des Herrn Reichstagscommissars zu hören, dab wir demnächst Bundes-
minister haben werden. Indessen meine Herren, ich kann daran kelne
Hoffaung knüpsen und wie ich mich als Gegner des Norddeutschen Bundes
überhaupt erklärt habe, mich dazu nicht bestimmt fühlen, namentlich für
Uebertragung des Postwesens, die Anstellung aller höheren Be-
amten an die Krone Preußen mich zu erklären. Es ist viel gespro-
chen in diesem Saale von der wirthschaftlichen Mission, die dem Träger der
Krone Preußen zugesallen sel, und gerade in Bezug auf das Postwesen ist
behauptet worden, daß das im Staate Preußen in einer Weise geführt sei,
wie in keinem anderen Staate. Indessen ich muß hervorheben, daß eine
Menge Desiderien, die schon vor langer Zeit vom Publikum erhoben
worden sind, noch jetzt der Erfüllung harren. Ich rechne hierher, daß
selbst dasjenige, was das banquerotte Oesterreich eingeführt hat, das eln-
stusige Briefporto-Tarif nicht eingef ührt ist; ich rechne dahin, daß
der Packettaris im Innern des Deutschen Postvereins höher ist als
z. B. im Verkehr mit England. Ich rechne dahin, daß noch immer der
Frankirungszwang besteht, daß ein höherer Portosatz für unfrankirte
Briese erhoben wird und gewissermaßen die Gefälllgkeit bei Auskunftserthei-
lung bestrast wird, wenn man es nicht F. B. versuchen wollte, Demjenigen,
den man um Auskunft ersucht, die betressenden Brlesmarken zuzustellen. Allein,
meine Herren, ich würde hoffen, daß der künstige Relchstag bel der Art und
Weise, wie er bisher construirt worden ist, alle Dem Abhülfe schaffen wird,
ich habe aber noch ein viel größeres Bedenken. Ee besteht darin, daß
nach meiner Ansicht ein Briefgeheimniß in Preußen nicht besteht.
(Lebhaster Widerspruch und Unruhe.) Ich habe, meine Herren, zunächst eine
Anzahl indirecter Beweise, die vielleicht in Ihren Augen nichte beweisen. Ich
rechne z. B. dahin, daß ein Freund von mir in Leipzig, dessen Anschauung
und Thätigkeit vielleicht der Preußischen Regierung nicht angenehm ist und
in gewöhnlicher Zeit zwel bis drei Briefe täglich von Freunden aus Süd-
deutschland empfängt, während der ganzen Preußischen Occupation bloß
Sladtpostbriese empfangen hat. Ich rechne ferner dahin, daß nach Mitthel-
lung eines Schleswig-Holsteinischen Patrioten eine Adresse gegen die Annexion,
die von Horst nach Neumünster abgesandt war, dorthin nicht gekommen ist,
daß ferner in Schleswig-Holstein gerade während der Zeit, wo die anti-
annexionistischen Bestrebungen thätig waren, verschiedene Briese an Schles-
wlg Holsteinische Patrioten sich erössnet erwiesen haben trotz der Leserlichkeit
der Adresse mit der Ausschrist: „Wegen Unleserlichkeit der Adresse geöffuet.“
Ich habe aber noch eine directe beweisende Thatsache anzuführen; am 10. Octo-
ber v. J. erschien, durch am 9. desselben Monats erfolgte Bestellung zur
5 St. Ber. S. 516.