Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

14 Reichsleag. 
so sehe ich das allerwesentlichste Correctiv für die allgemeinen Wahlen 
darin, daß man eine Kreisordnung schaffe, welche den Kreis als die 
communale Grundlage des Staatslebens constimirt und dadurch 
zugleich einen Zusammenhang hergestellt zwischen der communalen und poli- 
tischen Action. Ich betrachte es als einen großen Fehler unserer po- 
litischen Entwicklung, daß dieser Zusammenhang bieher fehlte, 
und gerade diesem Fehler schreibe ich es zu, daß wir schwankeud nach der 
einen oder der andern Richtung Wahlen hatten, die oft sehr wenig mit dem 
wirklichen Willen der Wähler ÜUbereinstimmten. Nach meinem Dafürhalten 
waren die demokratischen Resultate der allgemeinen Wahlen im 
Jahre 1848 herbeigeführt durch die noch nicht vollendete Ablösung der 
Agrarverhältnisse. Die Wahlen der Kiolbassa's und Consorten waren die 
Aeußerung des Mißtrauens, das man auf dem Lande, gegenüber den da- 
maligen Zuständen empfand. Und, meine Herren, die Wahlen der letzten 
sechs Jahre, die nach meinen Anschauungen — ich kann eben nur von mei- 
nem subjectiven Standpunkie sprechen — ebenfalls durchaus nicht glücklich 
waren, die schreibe ich auf dem Lande der alten Provinzen gerade dem Um- 
stande zu, daß es bisher noch nicht geglückt war, in einer Kreisordnung 
dem bäuerlichen Elemente diejenige Vertretuug und Garantie zu 
geben, dies es wünschte und haben muß. (Sehr richüg!) Ich habe des- 
halb den lebhaften Wunsch, — einen Wunsch, den ich gerade an diese Seite 
des Hauses (rechts) richten möchte — daß, wenn wir dieses von conservativer 
Seite eingebrachte allgemeine, directe und geheime Wahlrecht acceptiren, Sie 
Ihr Möglichstes dazu thun, gerade das Correctiv, was in der Constituirung 
und in der bald möglichsten Constitulrung einer solchen Kreis- 
ordnung liegt, uns zu bieten. (Sehr richtig!) Ich zweifle nicht daran, 
daß das die allerwesentlichsten Erfolge haben wird und zwar Erfolge, die 
möglicher Weise, wenn es gelingt, diese Constituirung baldigst vorzunehmen, 
selbst schon für die nächsten Wahlen zum Relchstage eintreten können. Unter- 
schätzen Sie das nicht, meine Herren! Gerade der Bauer wird auf dem 
resormirten Kreistage durch die thatsächlichen Leistungen erkennen, wo die- 
jenigen Personen sind, die seinem Interesse nahe und mit ihm auf demselben 
Boden stehen, die flr ihn thatsächlich wirken. Ich komme zum Schluß. 
Ich finde ein zweites Correctiv gegenüber den allgemeinen Wahlen, ich möchte 
mich so ausdrücken, in der inneren politischen Mission, die uns obliegt. 
Meine Herren, wir Alle, die wir diesen Paragraphen annehmen, Übernehmen 
dadurch die Verpflichtung diejenigen Klassen zu führen, in welche durch das 
allgemeine Wahlrecht die Entscheidung für eine bestimmte politische Thätig- 
keit gelegt wird. (Sehr richtig! rechts.) Es ist das eine harte und schwere 
Arbeit, wir dürsen uns darüber nicht täuschen, und nur, wenn wir uns das 
klar machen und wenn wir zugleich den festen Vorsatz, den sesten Entschluß 
fassen diese Arbelt durchzuführen und täglich durchzuführen, um einen tri- 
vialen Ausdruck zu gebrauchen, die Glacéhandschuhe auszuziehen, nur dann
	        
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