Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artilel 57 60. Oechmichen. 271 
Deutschen Centralgewalt, der zu überweisen sei nicht allein die Vertretung 
nach Außen, sondern auch das Militairwesen in seiner Allgemeinheit und mit 
dem Ober commando an die betreffende Centralbehörde. Hat man das bei 
uns beantragt, so hat man das zwar zu seiner Zeit in einer andern Abficht 
gethan, die nicht dahin ging, eint Centralgewalt zu schaffen, wie sie uns jetzt 
vorliegt. Allein die Umstände sind andere geworden, Thatsachen liegen vor 
und wir haben denselben Rechnung zu tragen. Wir fügen uns; ob gern 
oder nicht, darauf kann hiebei nichte ankommen; wir fÜgen uns, weil es 
eben so ist, und weil unser König und unsere Regierung einen Frieden ge- 
schlossen haben, der diese Consequenzen verlangt, und wir auch berrits durch 
Zustimmung zu der in Sachsen nunmehr in Wirksamkeit getretenen Preußischen 
Militairgesetgebung unsere Zustimmung in der Hauptsache schon gegeben 
haben. Ich für mein Theil bin einverstanden damit, daß die allge- 
meine Wehrpflicht eingefbhrt wird im ganzen Norddeutschen Bund. Ob- 
wohl hin und wieder zeither andere Gesetzgebungen bestanden, so kann ich 
doch für meine Person erklären, daß ich bereits früher in den Süchsischen 
Kammern, soweit ich dazu Gelegeuheit hatte, jederzeit gegen das Einsteher- 
System gesprochen und gestimmt habe. Ich bin demgemäß, was diese Frage 
betrifft, in der Lage, die allgemeine Wehrpflicht als einen Fortschritt anzu- 
erkennen, welchen ich auf Grund des darin beruhenden Gerechtigkeitsprincips 
anzuer kennen habe. Ich halte es für einen Akt der Gerechtigkeit, daß jeder 
Staatsbürger, der eben dazu gerignet ist, auch seine Wehrpflicht erfüllt ohne 
Ansehen der Person. Es wird hierin etwas gefordert, was nach meinem 
Dashrhalten nicht mit Geld zu bezahlen ist. Ich gebe gern zu, daß in 
Friedenszeiten es etwas für sich hat, wenn neben der allgemeinen Wehrpflicht 
ein Stellvertretungssystem existirt; ich gebe zu, daß durch das Siell- 
vertretungesystem manchen weniger Wohlhabenden durch die Gelegenheit, für 
einen Anderen die Militairpflicht leisten zu können und dafür Geld zu neh- 
men, eine Wohlthat geschehen kann. Aber, meine Herren, um Kriege ist das 
anders. Der letzte Krieg beweist ja, wie schwere Folgen in Bezug auf Leben 
und Gesundheit für diejenigen entstehen, welche im Kriege verunglückt sind, 
und diese Verluste sind, wie ich bereits mir erlaubt habe zu erwähnen, mit 
Gelde nicht zu bezahlen, und aus diesem Grunde allein schon muß man für 
dier allgemeine Wehrpflicht sein, so drückend sie auch für den Einzelnen wer- 
den kann. Ich will davon nicht sprechen, welchen moralischen Werth für 
eine Armer es auch da noch hat, wenn die Söhne gebildeter Stände in den 
Reihen der Compagnien stehen ungetrennt von denjenigen, die einen weniger 
hohen Bildungsgrad haben. Es kann dann nicht fehlen, daß der moralische 
Eiafluß sehr wohlthätig auf die Nachbarn einwirkt, und eine Armee von der 
Art wird durch die auf diese Weise ihr zugeflrte allgemeine Intelligenz 
allezeit mehr im Stande sein, ihre Pflichten zu erfüllen als eine andere, wo 
das nicht der Fall ist. Ich bin ferner elnverstanden mit dem Grundsatze, 
daß alle Bundesstaaten gleichmäßig ihre Leistungen in Bezug auf die Wehr-
	        
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