Arnkel 57—68. Ree. 289
können, daß jeder Fachmann uns sagen könne: hierüber oder darüber kann
nur der Techniker urtheilen, und obwohl die Volksvertretung in dieser Hin-
sicht nicht ohne Weiteres dem Techniker folgen kann, weil wir ja wissen, daß
auf diesem Gebiete die Techniker selbst unter einander verschiedener Meinung
sind. Jedenfalls, meine Herren, müssen die allgemeinen Bestimmungen bei
der Volksvertretung bleiben, und erst wenn diese festgestellt worden sind, ist
es Sache der Militairs, die Ausführung zu Übernehmen. Auch kommt es
nicht bloß darauf an, daß die Volksvertretung ein einziges Mal darüber ihre
Meinung kundgebe, denn die Verhältnisse, um die es sich dabei handelt, sind
wechselnder Natur, wie das ja auch das Gesetz vom 3. September 1814 in
seinem Artikel 3 anerkennt, denn es heißt da, nachdem die allgemeine Wehr-
pflicht ausgesprochen ist, speciell: „Die Stärke des jedesmaligen Heeres be-
stimmt sich nach den jedesmaligen Staatsverhältnissen". Und das,
was in dem Gesetze von 1814 bereits auf eine so klare und unzweideutige
Weise ausgesprochen worden ist, das sollten wir heute nach flufzig Jahren
ohne Weiteres aufzugeben haben? Ee ist demnach nöthig, da hier so viele
wandelbare Factoren in der Gesetzgebung vorkommen, daß die Volksvertre-
tung von Zeit zu Zeit die Macht habe, die Gesetze zu revidiren, den Gesetzen
nur eine kurze Zeit der Gültigkeit zu geben, um sie eben nach den verän-
derten Verhältnissen üudern zu können. Darauf allein, meine Her-
ren, beruhen im Wesentlichen unsere Abänderungsvorschläge,
die ich hier in der allgemeinen Debatte nicht einzeln zu besprechen wage,
denn sie werden ja in der Specialdiscussion an die Reihe kommen. Der
Sinn unserer Vorschläge ist ein dreifacher. Wir wollen eine perio-
dische Bewilligung des Geldes, wir wollen eine periodische Bewilli-
gung der Menschen, wir wollen eine Feststellung der Dienstzeit und aude-
rer dahin gehörigen Dinge auf Grund von Gesetzen nach dem vorau-
gegangenen Gesetze vom 3. September 1814. Wir wollen keine Soldaten,
die nur in Zwischenzeiten bürgerliche Gewerbe treiben, sondern wir wollen
— und darin sind wohl mit uns auch die Herren Militairs einverstanden —
wir wollen fleißige und freie Bürger, die in der Zeit der Gefahr auch Sol-
daten sein können. Wir sind alle gleichmäßig der Meinung, daß auf Grund
der allgemeinen Wehrpflicht eine Aufschliefung und Entwickelung aller wehr-
haften Kräfte der Nation zur Vertheidigung des Bodens nöthig ist, aber wir
wollen nicht unnöthige Opfer an Geweröfleiß, Freiheit und Civilisation. Wir
sind sehr gern bereit, wenn der Augenblick der Gefahr da ist, daß die Volks-
vertretung Alles bewillige, was nach dem Urtheile der Militairs nothwendig
ist, und wenn jetzt der Augenblick gekommen sein wird, so werden die Bolks-
vertretungen in Deutschland übberall jetzt bereit sein, alles Nothwendige zu
bewilligen. Nur muthen Sie uns nicht zu, daß die Verlegenheit der Gegen-
wart uns dazu bringe, die ganze Zukunft preiszugeben!
M#a#allen.I1. 19