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gegangen sind. Das Deutsche Volk ist conservativ im edelsten
Sinne des Wortes, es hält auf Anstand und Zucht und Ordnung in
Haus, Familie und Gemeinde; das Deutsche Volk, meine Herren, ist der
eigentliche Hüter desjenigen, was im germanischen Stamme
Großes und Edles gegeben ist, das Volk ist auch dankbar, es lohnt
mit Vertrauen jene, welche ihm Wohlwollen entgegenbringen und wenn es
die Wahl hat, dann legt es auch die Sorge für seine Interessen ganz be-
sonders gern in die Hand eines Mannes, welcher mit dem ihm geblihrenden
Wohlwollen zugleich den Glanz einer äußern Stellung und der Ehre ver-
bindet. Sie, meine Herren, in dem hiesigen Reichstage sind da-
von ein sprechender Beweis. Aus der directen Wahl des Volkes
ist eine Zahl von Fürsten, Grasen, Baronen in den Reichstag
gesendet worden und ich glaube, dieser Glanz, den ihnen das Volk gege-
ben hat, Ist nicht minder hoch anzuschlagen, als die historischen Remiutscenzen
der Berdienste, welche ihre Ahnen in den sfrüheren Zeiten um das Volks-
und das Staatswohl sich erworben hoben. Bewahren wir, meine Her-
ren, auch dem künftigen Reichstage diese Gestaltung, bewahren
wir das Vertrauen, welches von den Regierungen dem Volke gebracht wor-
den, und hüten wir uns, eine Antwort zu geben, welche der Regierung Miß-
trauen entgegen bringt. Aber hüten wir uns auch, dem Reichstag eine Ein-
richtung zu geben, zu welcher das Volk ehrliches und offenes Vertrauen nicht
haben kann. Bedeuken wir, daß im Entwurs Verweigerung der Diäten
für die Abgeordneten steht. Wenn dleser Paragraph belbehaten wird,
so wird das Volk für seine Wahl auf einen sehr engen Kreis
beschränkt, die Folge wird davon sein, daß vorzugsweise Capitalisten
und solche Männer in den Reichstag gewählt werden, die in einer höheren
Sphäre des Volkes stehen und wenn nun gar noch neben solchen
Reichstag ein Oberhaus gestellt werden soll, dann, meine Her-
ren, nehmen Sie es nicht übel, wenn das Volk sagen sollte: Wir
sind verrathen, verkauft. Sorgen wir vielmehr, meine Herren, Ver-
trauen zwlschen Volk und Regierung so vlel wie möglich zu begrln-
den und zu besestigen und erwarten wir mehr von dem Geiste der deutschen
Nation als von einem geschriebenen Paragraphen der Verfassung, sorgen
wir vielmehr, daß dem Mißtrauen begegnet werde, welches vielsältlg zwischen
Bolk und Regierung vorhanden ist und die eigentliche Quelle so vieler be-
klagenswerther Zustände ist. Als ein Hinderniß des Vertrauens be-
zeichne ich die feindselige Stellung, welche nur gar zu oft in vielen
Ländern die niederen Beamten gegen die Interessen des Volks einge-
nommen haben, die Stellung, die sie, gesttzt auf Partel= und Clüquewesen,
den Interessen der Gemeinde gegenliber eingenommen haben, wodurch auch
das Volk von ihnen sich entsernen mußte. Wenn aber das Volk in dem
Umgange mit dem ihm nahestehenden Beamten die Ueberzeugung gewinnt,
daß die Regierung alles das in Schutz nimmt, was ihm wahrhaft heilig