Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

308 Bunbestriegowesen. 
Einrichtungen des Bundeskriegswesene ja nur einstweilen in Nordschleswig 
eingeführt würden. Es kann keine provisorische Wehrpflicht, keinen provi- 
sorischen Fahneneid, keinen prooisorischen Militairdienst geben, so wenig es 
einen provisorischen Krieg oder ein provisorisches Vaterland geben kann. 
Nicht die äußerliche Disciplin und Führung der Waffe, sondern die Vater- 
landeliebe giebt der Wehrpflicht ihre sittliche Weihe. Gestatte man den Nord- 
schleswigern, daß sie nach vertragsmäßigem Rechte das Vaterland wählen, 
für welches ihre Sitte und ihr Nationalgeist sich entscheidet, dann aber erst, 
erst nur dann wird die Basis für eine Wehrpflicht der Nordschleswiger zu 
schaffen sein. Sollte diese Entscheidung sich verzögern, sollie weder die Rück- 
sicht auf tactatmäßige Stipulationen noch das Mitgefühl mit einem leidenden 
Volkestamm der Vollziehung des Rechts das Wort reden, so würde der Ar- 
tikel 5 des Prager Friedens für die Nordschleswiger sich aus einer natio- 
nalen Wohlthat in eine Quelle der Rechtslosigkeit verwandeln. Der Nord- 
schleswiger würde heimathlos, gesetzlos, ohne Rechtebehörde den Zufälligkeiten 
ausgesetzt sein, und die Willkür, deren Schläge weder berechnet noch vermie- 
den werden können, würde an die Stelle jener Sicherheit des körperlichen 
Lebens treten, welche der Zweck der Staaten ist. Ich enthalte mich, diese 
Sätze an dem, was bis jetzt schon bei Gelegenheit der Aushebungen in Nord- 
schleowig geschehen ist, zu erläutern. Möge der Reichstag dahin trachten, 
daß nicht an der Schwelle des Bundes eine dedrängte Nationalität stehze. 
Möge er daher meinen Antrag bewilligen, daß die Bestimmungen Über das 
Bundeskriegewesen in den nördlichen Districten Schleswigs, wobei eine füd- 
lich von Flensburg laufende Linie die Grenzscheide sein würde, suspendirt 
werde. 
Präsident der Bundescommissarien Mlnisterpräsident Graf v. Bismarck,“) 
Wenn ich das Wort ergreife, so geschieht das nicht, um die Bestimmungen 
des Prager Friedens anzufechten, oder mich über die Auslegung 
derselben nochmals hier zu dußern, sondern nur um zu verhindern, 
daß durch solche Kundgebungen, wie die Rede des Herrn Vor- 
redners war, in Nordschleswig noch mehr Leute irregeleitet wer- 
den in ihren Ansichten Über din gegenwärtigen Rechtszustand, und sich den 
gesetzlichen Anforderungen der Behörden, besonders in Bezug auf ihre mili- 
tairischen Pflichten entzlehen, und sich dadurch zu unserem Bedauern Strafen 
zuziehen, die unnachsichtlich würden vollzogen werden. Der gegen wärtige 
Rechtszustand des Herzogthume Schleswig ist der, daß dasselbe 
nach seiner ganzen Ausdehnung, wie es sich nach dem Wiener Frie- 
den gestaltet hat, ein zweifelloser Bestandtheil der Preußischen 
Monarchie ist, daraus folgt, daß sich alle Einwohner den Gesetzen 
zu fügen haben, die hier gelten; wie viele und welche davon etwa in 
  
) Et Ver. S. 545.
	        
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