Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

22 Reichstag. 
und werth ist; dann wird das ganze Volk wie ein Mann zu seiner Reyie- 
rung stehen, dann werden die Kräfte der Vornehmen und Geringen in einem 
einzigen Zug den Staatswagen in Bewegung bringen, und daun können wir 
das Heil unseres Vakerlandes von einer Hebung unsercs deutschen nationalen 
Geistes am allerersten erwarten. Sehen wir uicht beständig rückwärts auf 
Systeme von Staatssormen, die früher vorhanden gewesen sind, sehen wir 
auch elmnal in die Zukunft: der Gelst wird sich bewegen und über manche 
Formen hinweggehen; trachten wir, melne Herren, nicht nach #el Häusern, 
denn Zwietracht zerstöret; trachten wir vlelmehr nach einem einzigen großen 
Hause, welches Raum gewährt, um allen verschledenen Interessen Schutz zu 
geben, trachten wir nach einem großen Hause, wo alle die höheren und nie- 
deren Stände neben einander einträchtig für das Wohl unseres großen Vater- 
landes wirken können. (Bravo!) 
v. Zehmen aus Sachsen (Meißen. Großenhain sc.)?) Melne Herren! 
Der Artikel 21 nimmt selbst ein noch erst zu erlassendes definitives 
Wahlgesetz in Aussicht: er stellt insosern ein Interimisticum her, als 
die zeither gültigen Wahlgesetze für die Zusammenberufung des gegenwärtigen 
Relchstags auch einstwellen serner in Anwendung kommen sollen. Insofern, 
melne Herren, erklärt der Entwurf also selbst in gewisser Hinsicht die gegen- 
wärtig gültig gewesenen Wahlbestimmungen für noch nicht feststehend und 
ungenügend; der Entwurf selbst ändert aber auch wieder in elnem 
wesentlichen Punkte die für interimistisch gültig erklärten jetzi- 
gen Wahlbestimmungen dadurch ab, daß er den Beamtenstand von 
der Wählbarkeit ausschließt. Nach meiner Auffassung der Sache 
muß ich Überhaupt wünschen, daß wir kein Interimistieum bekom- 
men hätten, sondern das de finitive Wahlgesetz noch vorgelegt er- 
hielten; das Wahlgesetz ist und bleibt die Basis des ganzen Ver- 
sassungsentwurfs, der gan zen Verfassungsausführung. So lange 
nicht die Bestimmungen über das Wahlsystem als feste in der Verfassung 
stehen, wird immer in gewisser Beziehung eine Lüccke fühlbar sein; ich habe 
mich deshalb auch nicht befreunden können mit allen den Amende- 
ments, dle die interimistischen. Wahlbestimmungen des Artikel 21 bald nach 
der einen, bald nach der anderen Seite hin wieder auch nur interimistisch zu 
verbessern suchen. Ueberhaupt, melue Herren, muß ich ganz aufrichtig 
bekennen, daß ich ein unbeschränktes Kopfwahlsystem, verbunden 
mit einem Einkammersystem, also mit der Einrichtung, daß nur ein 
einziges Hans des Relchstags künftig bestehen soll, als blekbende Einrich- 
tung für unsere künfüge Verfassung des Norddeutschen Bundes nicht für 
angemessen erachten kann. Das jetzige Wahlsystem mochte vielleicht in 
vieler Hinsicht ganz zweckmäßig sein, um eine Versammlung zusammen zu 
°) Sl1. Ber. S. 420.
	        
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