Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 20. 21. Zehmen. Wagener. 23 
berusen, die in gewisser Hinsicht den Charakter einer Constit uante hat; 
etwas anderes ist es, dasselbe System als bleibende Einrichtung einzufüh- 
ren, und zwar möge sie nun dabel Diäten bewllligen oder keine: ein solches 
System mit Dläten bleibt unabweisbar immer ein Würfelspiel, auf das sich 
ein bleibendes Regierungssystem nicht wird gründen lassen, und was mit 
einem solchen Kopswahlsystem auszurichten ist, hat unser guter 
Freund jenseits des Rheins bereits bewiesen; ein solches System 
ohne Gewährung von Dläten bestimmt aber wieder einen so hohen 
Census, daß dos Wahlrecht in Beziehung auf die Personen, welche gewählt 
werden können, so beschränkt ist, daß wenigstens z. B. in meinem Hei- 
mathslande ein solches Wahlsystem fast nicht aus führbar sein wird. 
Wir haben nicht so große commassirte Vermögen, wie in einem großen Theile 
Preußens und den übrigen Ländern des Norddeutschen Bundes vorhauden 
sind; wollen Sie nun noch die Beamten ausschließen, wie dies der Artikel 21 
vorschlägt, so wird die Zahl derjenigen, die geeignet sind, als Abgcordnete 
hier auf den Reichstag geschickt zu werden, eine so beschränkte sein, daß unsere 
Wähler sehr häufig in die größte Verlegenheit kommen würden. Ueber- 
haupt, meine Herren, möchte ich doch glauben, dab, wenn man einmal 
ein ganz allgemeines und freies Wahlsystem einführen will, 
man doch unmöglich eine gauz bedeutende angesehene Klasse der 
Bevölkerung gänzlich von der Wählbarkeit ausschließen kann. 
Es ist das nach meiner Ansicht mindestens eine große Anomalic. Ueber- 
lassen wir das doch ganz einfach den Wählern, ob sie geneigt 
sind, Beamte zu wählen oder nicht, das ist ja zunächst ihre Sache, 
lassen wir es sie mit sich ausmachen. Ueberhaupt werden wir nach einem 
Mittelwege in dem künftigen definitiven Wahlgesetze des Norddeutschen 
Bundes suchen müssen. Von diesen Gesichtspunkten, die ich mir erlaubt 
habe aufzustellen, ausgehend, vermag ich allerdings für die Bestimmungen, 
die der Entwurf in Beziehung auf das Wahlsystem für den klnftigen Nord- 
deutschen Bund aufstellt, nur aus dem einen Gesichtspunkte zu stimmen und 
mich dafür zu erklären, daß ich nicht will, daß an einem Widerspruche viel- 
leicht das Zustandekommen des Ganzen scheitern möchte, — dah nicht die 
Ermahnung, die der Staatsmaun an der Spitze der Geschäfte gestern an 
eine Partel dieses Hauses richtete, auch vielleicht an unfere Adresse gerichtet 
werden könnte. 
Wasener (Neustettin)). Meine Herren, wenn ich meinerseits an den 
uns jetzt vorliegenden Artikel 21 unserer Verfassungsurkunde lediglich mit 
dem Maßstabe der bisherigen Parteipolitik und des Parteiprogramms meiner 
specielleren Freunde heranträte, so würde ich kaum noch eine längere Rede 
nöthig haben, um zu dem Schlusse zu gelangen, mich gegen diesen Artikel 
) Se. Ber. S. 420.
	        
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