Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

354 Bundeskriegswesen. 
wendigkeit, mich gegen dieselben erklären zu müssen. Nicht daß die Regle- 
rungen in diesen Amendements ein feindfeliges Streben erblickten, das Werk 
zu zerstören, welches zu schaffen sie beabsichtigen, sondern weil ich glaube, 
daß die Amendementsteller sich nicht der angemessenen Beurtheilung erfreuen, 
welche die Sache ersordert. Man hat die Höhe der Contingentz#iffer ange- 
fochten. Man hat gesagt, 300,000 Mann sei viel zu viel, 300,000 Mann 
sei eine Friedensstärke, welche als ganz exorbitant betrachtet werden müßte. 
Meim Herren, die Stärke der Friedensarmee richtet sich — meiner 
Auffassung nach, wie ich schon vorhin angedeutet habe, — nach dem Be- 
dürfniß und zwar nach dem unserer Kriegsorganisation ent- 
sprechenden Bedürfniß der Erzirhung der Nation für den Krieg. 
Wenn wir uns umsehen, nach welcher Himmelsgegend wir uns auch wenden 
mögen, wir finden wohl überall dasselbe Bestreben, was Sie belebt, die be- 
waffnete Macht möglichst gering zu halten. Aber geschieht es denn? Wird 
deun einem solchen Wunsche Folgr gegeben? Halten nicht beispielsweise unsere 
westlichen Nachbarn noch in dicsem Augenblick eine Friedensarmer präsent von 
mehr als 400,000 Mann? Nun ersuche ich Sie, meine Herren, berechnen 
Sie sich einmal den Procentsatz! Ueber die Verhälmisse in Oesterreich in 
diesem Augenblicke Zahlen zu geben, ist sehr schwierig. Was Rußland an- 
langt, so will ich mich mit statistischen Angaben ebensalls nicht besassen, weil 
die Vergleichungspunkte zwischen Ruhland und uns allerdings sehr heterogener 
Natur sind. Die Stärke der Friedensarmee wird bedingt durch die Noth- 
wendigkeit, den wehrfähigen Theil der Nation wehrsertig zu machen. 
Ich kann mich sehr kurz resumiren mit dem einen Worte: Es ist in dieser 
Friedensstärke nicht ein Mann zu viel! Wenn wir die Zwecke er- 
reichen sollen, welche die Nation von der Regierung erwartet, wenn wir uns 
sichern sollen gegen alle möglichen, politischen und militärischen Eoentnalitäten, 
meine Herren, so müssen wir auch verfügen, frei versügen über die gesamme 
Wehrkraft, die organisirte Wehrkraft des Bundes. Jrder einzelne Etat jedes 
einzelnen Bataillons und jeder einzelnen Escadron ist Mann für Mann und 
Pferd für Pferd berechnet auf das zulässige Minimum nach dem Urtheil 
aller Sachverständigen. Soll das nun angefochten werden blos aus dem 
allgemelnen throretischen Wunsche: wenn wir doch weniger Leute zu erhalten 
hätten! Ja, meine Herren, das wünsche ich auch; es ist Nichts — ein 
solcher Wunsch! Man muß auch in der Möglichkeit sich befinden, ihn zu 
realisiren. In dieser Lage, in der gegenwärtigen politischen Lage von Europa 
würde es leichtsinnig sein, wenn man in dieser Beziehung nachgiebig sein 
wollte gegen die sehr berrchtigten Wünsche des bürgerlichen Lebens. Es ist 
mir wohl in srüheren Jahren entgegen gehalten worden in den Diecussionen 
Über diesen Punkt: wo zu wir so viel halten; wir seien doch nicht im Stande, 
auch nur einer Großmacht die Spitze zu bieten. Meine Herren, es ist 
mir so in öffentlicher Sitzung von namhafter Seite gesagt worden, — ich habe 
nicht widersprochen, um nicht in die Reihe der Prahler zu gerathen. Es ist
	        
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