Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 60. Sybel. 357 
Dr. von Sybel von Vonn (Leunep-Mettmann).“") Meine Herren! 
Ich bin in dem Falle, im Wesentlichen für den Inhalt des Art. 56 d. E. 
sowie für den wesentlichen Inhalt der übrigen Artikel dieses Abschnitts 
zu stimmen, weil ich mich — im Wesentlichen, wiederhole ich. — auf dem Stand- 
punkte befinde, welchen Herr Abgeordneter von Forckenbeck vorhin an dieser 
Stelle ausgesprochen hat. Auch ich habe Jahre hindurch zu den Geg- 
nern der neuen Preußischen Armecorganisatlon gehört, — auch ich 
bin jetzt in der Lage, die Existenz und den Werth dieser Reorganisation an- 
zuerkennen (Bravo! rechts) und hier im Reichstage mein Votum zu 
der Legalisirung derselben nach voller Ueberzeugung zu geben. 
Eben nach diesen Verhältnissen aber finde ich mich auch genöthigt, Ihre Er- 
laubniß zu erbitten, dieses mein Votum in kurzen Worten zu motiviren. Ich 
war früher gegen die Organisation, well ich der Meinung war, daß sie 
wegen gewisser zweifellos vorhandener Mängel ihre Zwecke und Aufga- 
ben nicht erfüllen wür de. Nun, dieses Bedenken ist — schon mehr- 
mals ist es von dieser Stelle ausgesprochen worden —erledigt durch die 
Thaten des vorjährigen Krieges. ZIch glaube, meine Herren, das Land 
würde es nicht verstehen, wenn noch diesen Leistungen noch ein öffentlicher 
Zweifel an der Tüchtigkeit dieser Formationen sich hervorwagte; (Sehr richtig!) 
ich glaube, meine Herren, Europa würde mit seinem Hohne einen Jeden zu- 
decken, welcher einen öffentlichen Zweifel an dem Werthe dieser Formatio- 
nen heute noch vorbrächte, um deren Existenz uns heute die ge- 
sammte Übrige Welt beneidet, (Lebhaftes Bravo rechts und im 
Centrum) deren Träger, deren Truppen nach einem vierzehntägigen Feld- 
zuge den Stephansthurm zu Wien in ihrem Gesichtskreise und zu ihren Füßen 
sahen. Wenn ich das hier so bestimmt und so nachdrücklich wie möglich 
ausspreche, meine Herren, so ist das nicht, was man eine Vergötterung eines 
Erfolges nennt, sondern es ist lediglich die Anerkennung einer Leistung, 
(Sehr gutl) und je weniger ich früher an die Möglichkeit und Wahrschein- 
lichkeit einer solchen Leistung geglaubt habe, desto mehr dünkt es mich heute 
eine Pflicht zu sein, die Wirklichkeit derselben rücckhaltslos anzuerkennen. 
(Bravol) Ich habe früher gegen die Reorganisation polemmsirt, weil nach 
meiner festen Ueberzeugung die Art und Weise der Einführung der- 
selben nicht mit unseren gesetzlichen Bestimmungen harmonirte. 
Hier und heute, meine Herren, sind wir eben beschäftigt, einen 
neuen gesetzlichen Boden Über jeden Zweifel hinaus fest zustellen, 
und ich lebe der sichern Hoffnung, daß, wenn diese Feststellung uns gelingt, 
daun auch in späteren Jahren etwiige Zweifel Über einzelne Details dieser 
Organisation, etwaige Controversen über den technischen Werth gewisser Theile 
dieser Organisation, nimmermehr im Stande sein werden, ähnliche Zustände 
über unser Land und diesen Bund herbeizuführen, wie wir sie in Preußen 
*) St. Ber. S. 568.
	        
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