366 Bundeskriegewesen.
präseuzstärke und Einführung der allgemeinen Wehrpflicht auch in die nicht
Prrubischen, Norddeutschen Länder gemacht sind. Ich glaube daher, daß es
geboten ist, den Ablauf des Interimisticums so zu legen, daß er in die Legis-
laturperiode des zweiten Reichstages falle. Es bewegt nich dazu namentlich
auch die Rücksicht, daß nach der großen Competenz, die Sie dem Reichstage
belgelegt haben, der zunächst zusammentretende Reichstag mit anderweitigen
wichtigen Geschästen für ganz Norddeutschland, mit maßgebenden Organi-
sationen auch auf anderen rechtlichen Gebicten hinlänglich und über die Maßen
beschäftigt sein wird. Sie werden mich unn jeyzt fragen, meine Herren, was
soll dann werden, wenn am 31. December 1871 ein neues Gesetz über
die Friedensstärke nicht zu Stande gekommen ist? Sie werden mir sagen,
um mich eines schon viel gebrauchten Ausdrucks zu bedienen: es tritt ja dann
ein vracuum ein; uud Sie werden behaupten, daß durch meinen Vorschlag
dann in diesem Augenblick die ganze Existenz des Norddeutschen Bundes-
heeres auf's Spiel gesetzt sei. Meinc Herren, das ist meiner Ueberzeugung
nach nicht der Fall. Dadurch, daß wir die Reorganisation heute geselich
anerkannt haben, daß wir für den Fall des Interimisticums auf 5 Jahre
im Ordinarium 225 Thaler pro Kopf bewilligt haben, haben wir anerkannt,
daß die in Preußen bestehende Organisation verhältnißmäßig auf das ganze
Norddeutschland ausgedehnt die Grundlage der ordentlichen Geldbewilligung
so lange ist, bis sie durch ein anderweitiges Organisationsgesetz abgeändert
wird. Diese Grundlage der Geldbewilligung hat vor dem Conflict bie 1861
in Preußen zur Regelung des Verhältnisses zwischen Landesvertretung und
Kriegsministerium immer ausgereicht und weun dieses Verhältniß durch die
Reorganisation im Jahre 1861 gestört worden ist, so werden Sie mir doch
einräumen, daß dies unter ganz außergewöhnlichen, außerordentlichen Ver-
hältnissen geschehen ist und nur hervorgerufen ist durch die Plötzlichkeit, mit
welcher auf einmal die Forderung von einem drittel Menschen mehr und so
Millionen Thaler mehr an den Landtag gerichtet wurde und daß, nachdem
diese Organisation als Grundlage der ganzen Norddeutschen Organisation an-
erkannt ist, es sich nicht vermuthen läßt, daß ein ähnlicher Fall wieder komme.
Die Verhälinisse des Prrußischen Landtages können daher in dieser Frage ein
Motiv zur Furcht — denn ein solches finde ich in dem Ausdruck „Vacuum" —
nicht abgeben. Ich sage also, die allgemeine gesetzliche Wehrpflicht, die Präseng-
zeit und die bestchende Organisation sind die Grundlagen, auf welche nach
Ablauf des Interimisticums für den Fall, daß man über die Friedenspräsenz-
stärke sich nicht verrinigt, die dann eintretende alljährliche Geldbewilligung für
die Armee erfolgt. Ich glaube zwar nicht, daß Reglements, die etwa in
dieser Bezichung Über die Stärke der Armer und Cadrrs existiren, dann an-
gezogen werden könnten. Denn diese Reglements verlieren mit dem Augen-
blicke, wo die Friedenspräsenzstärke gesetzlich festgestellt ist, und mit dem Ab-
lause derselben ihre Krast und gelten auch, wenn wir die Verfassung anneh-
men, Uberhaupt nur als Reglements, nicht als Gesetze, welche Bewilligungen