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fchiedeten und beurlaubten Soldaten, vor den Wahlen, förmlich Propaganda
gemacht für dle Wahlen. (Sehr richtig! rechts.) Gerade in jenen entfern-
teu Gegenden der Monarchic, wo man am eifrigsten bemüht gewesen war,
den Leuten einzureden, in der Hauptstadt werden die Gelder verschwendet,
über die man Euch keine Rechnung legen will. Ich kann dem Herru Red-
ner, dessen Name mir nicht gegenwärtig ist, der auf dieser Tribltne so all-
gemein die Berechtigung der Beamten, mitzuwirken an der Gestaltung
des Staates, darauf begründete, daß sie stets nur die Träger der bestehen-
den staatlichen Ordnung seien, nur erwiedern: auch die haben leider öfters
in dieser Richtung der Verdächtigung eingewirkt. Diesen Darftellungen und
Eindrlicken gegenüber, sind nun die Soldaten, die entlassen waren, im Kreise
der Famille, in der öffentlichen Scheuke mit Entschirdenheit entgegeugetreten
und haben gesagt: glaubt ihnen nicht, wir sind dabei gewesen, wir haben es
erlebt, wie die Prinzen des Königlichen Hauses, wie der König selbst Com-
miebrod mit uns gegessen und ihr Leben eingesetzt haben gleich wie der ge-
meine Soldat. So ist es denn gekommen, daß uamentlich an der öst-
lichsten Grenze der Monarchie, dort wo die Wiege Jung Litthauens
einft stand, ein durchlanchtigster Prinz und dann fast nur Mitglieder des
Herrenhauses gewählt sind, — sogenannte unpopuläre Feudale, die
vermela#tlich bereits politisch beseitigt und als unfähig für eine erste Kammer
der Abgeorduete Thissen von dieser Tribüne bezeichnet hat. Ich glaube
fest, es liegt ihm die Absicht vor, dle Führung des Volks in audere
Hände zu lelten und andere Interesfsen zu sicher u. (Hört! Hört!)
Meine Herren, in Zeiten, wo die Geschlchte mit so großen, jedermann
verständlichen Zügen gleichsam in Fracturschrift schreibt, in solchen
Zelten kann man mit vollem Recht von einer vor populi vor
dei sprechen und aufrichtig daran glauben. Allein es ist un-
möglich, daß wir vor jeder Wahl eine Schlacht von Königgrätz
schlagen, es werden die niederen Zeiten eintreten und die hohen Zei-
ten werden verschwinden. Es wird der gewöhnliche Lauf des Lebens
eintreten, die materiellen Interessen werden sich geltend machen, der Magen
wird, wie Herr Wage ner fagte, sein Recht fordern. Und diese Frage
des Magens ist gerade in unferer Zeit von bedenklichem Ge-
wichte. Denn zum Niederen zieht es den Menschen unwiderstehlich herab.
Wir sind eingetreten in Zeilen, wo die geforderte Gleichheit der Rechte faft
in den Hintergrund gemeten ist und die Gleichheit der Gen#sse im
Vordergrunde steht. Dleses Recht gleichen Genusses wird, ausge-
bildet im sogenaunten wiffenschaftlichen System als eine sociale
Berechtigung, gefordert, während es in seinen ersten Aufängen bekanntlich
Baboeuf den Kopf koftete, weil der franzbsische Convent erklärte, es wären
Grundfätze, mit denen keiue bürgerliche Gefellschaft bestehen könute. Gleich-
zeitig kritt nun die Forderung an den künftigen Reichstag heran,
staatsrechtliche, volkswirthschaftliche, finan zielle Fragen zu be-