Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

30 Meichotag. 
fchiedeten und beurlaubten Soldaten, vor den Wahlen, förmlich Propaganda 
gemacht für dle Wahlen. (Sehr richtig! rechts.) Gerade in jenen entfern- 
teu Gegenden der Monarchic, wo man am eifrigsten bemüht gewesen war, 
den Leuten einzureden, in der Hauptstadt werden die Gelder verschwendet, 
über die man Euch keine Rechnung legen will. Ich kann dem Herru Red- 
ner, dessen Name mir nicht gegenwärtig ist, der auf dieser Tribltne so all- 
gemein die Berechtigung der Beamten, mitzuwirken an der Gestaltung 
des Staates, darauf begründete, daß sie stets nur die Träger der bestehen- 
den staatlichen Ordnung seien, nur erwiedern: auch die haben leider öfters 
in dieser Richtung der Verdächtigung eingewirkt. Diesen Darftellungen und 
Eindrlicken gegenüber, sind nun die Soldaten, die entlassen waren, im Kreise 
der Famille, in der öffentlichen Scheuke mit Entschirdenheit entgegeugetreten 
und haben gesagt: glaubt ihnen nicht, wir sind dabei gewesen, wir haben es 
erlebt, wie die Prinzen des Königlichen Hauses, wie der König selbst Com- 
miebrod mit uns gegessen und ihr Leben eingesetzt haben gleich wie der ge- 
meine Soldat. So ist es denn gekommen, daß uamentlich an der öst- 
lichsten Grenze der Monarchie, dort wo die Wiege Jung Litthauens 
einft stand, ein durchlanchtigster Prinz und dann fast nur Mitglieder des 
Herrenhauses gewählt sind, — sogenannte unpopuläre Feudale, die 
vermela#tlich bereits politisch beseitigt und als unfähig für eine erste Kammer 
der Abgeorduete Thissen von dieser Tribüne bezeichnet hat. Ich glaube 
fest, es liegt ihm die Absicht vor, dle Führung des Volks in audere 
Hände zu lelten und andere Interesfsen zu sicher u. (Hört! Hört!) 
Meine Herren, in Zeiten, wo die Geschlchte mit so großen, jedermann 
verständlichen Zügen gleichsam in Fracturschrift schreibt, in solchen 
Zelten kann man mit vollem Recht von einer vor populi vor 
dei sprechen und aufrichtig daran glauben. Allein es ist un- 
möglich, daß wir vor jeder Wahl eine Schlacht von Königgrätz 
schlagen, es werden die niederen Zeiten eintreten und die hohen Zei- 
ten werden verschwinden. Es wird der gewöhnliche Lauf des Lebens 
eintreten, die materiellen Interessen werden sich geltend machen, der Magen 
wird, wie Herr Wage ner fagte, sein Recht fordern. Und diese Frage 
des Magens ist gerade in unferer Zeit von bedenklichem Ge- 
wichte. Denn zum Niederen zieht es den Menschen unwiderstehlich herab. 
Wir sind eingetreten in Zeilen, wo die geforderte Gleichheit der Rechte faft 
in den Hintergrund gemeten ist und die Gleichheit der Gen#sse im 
Vordergrunde steht. Dleses Recht gleichen Genusses wird, ausge- 
bildet im sogenaunten wiffenschaftlichen System als eine sociale 
Berechtigung, gefordert, während es in seinen ersten Aufängen bekanntlich 
Baboeuf den Kopf koftete, weil der franzbsische Convent erklärte, es wären 
Grundfätze, mit denen keiue bürgerliche Gefellschaft bestehen könute. Gleich- 
zeitig kritt nun die Forderung an den künftigen Reichstag heran, 
staatsrechtliche, volkswirthschaftliche, finan zielle Fragen zu be-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.