Artikel 62. Vincke.-H. 413
wird. In gewöhnlichen Zeiten — jetzt nach dem Kriege, nach den großen
Ersolgen nicht — aber in gewöhnlichen Zeiten wird sich eine grobße Unzu-
friedenheit mit dieser schweren Last im Volke zeigen, es wird das als Agi-
tationsmittel benutzt werden, und zwar von Politikern nicht mit Unrecht, das
läßt sich nicht bestreiten. Aber gegen wen richtet sich dann die Unzufrieden-
heit? Ganz allein gegen die Militärverwaltung und gegen die Regierung,
während, weun Sie der Volksoertretung einc angemessene Einwirkung dar-
auf einräumen, wenn Sie ihr das Vertrauen scheuken, daß sie seiner Zeit
das Zweckmäßige und Nothwendige bewilligen werde, auch diese Theil an der
Verantwortung hat und das Volk sich nicht beklagen kann, wenn es die mit
der Zustimmung seiner Vertreter bewilligte Militärlast zu tragen hat. So,
meine Herren, häufen sich von allen Seiten Gefahren auch noch in auderer
Beziehung. Der Reichstag selbst, dem Sie das nothwendige Recht und die
nothwendige Befugniß, bei diesem wichtigen Verwaltungszweig ein Wort mit-
zureden, entziehen wollen, wird sich dabei nicht beruhigen, und weun er
es auch wollte, er würde gewiß vom Volke getrieben, sich dieses ihm noth-
wendige und ihm gebührende Recht zu erobern. Meine Herren, das sind
Folgen, die sich oft erst spät zeigen, die heute vielleicht von Ihnen nicht für
zöglich gehalten werden, die aber nach Jahren schwer ins Gewicht fallen
können. Meine Herren! Ich rathe sehr, entziehen Sie dem Reichstage nicht
die Befugnisse, die ihm von Gott und von Rechts wegen gebühren; Sie
werden sonst einen politischen Fehler machen, den nachher gut zu machen viel
schwerer ist als jetzt, wo alle Welt zu Compromissen geneigt und der Vor-
wurf unbegründet ist, daß auf irgeud einer Seite dieses Hauses — ob von
Einzelnen, das kann ich nicht wissen — dem Zustandekommen dieser Ver-
fassung eutgegengewirkt werde. Also, meine Herren, erklären Sie sich für
das, was Alle einigermaßen befriedigt, und gehen Sie dabei nicht von Ihrem
einseitigen Standpunkt aus, sondern berücksichtigen Sie auch die Wünsche
Derjenigen, die Sie heute Ihre Gegner nennen, die Sie aber dann vielleicht
morgen schon als Ihre Freunde bezeichnen dürfen. (Bravol)
Freiherr von Vinche (Hagen).“) Ich bin im Laufe der gestrigen De-
batte von verschiedenen verehrten Abgeordneten für Berlin wiederholt pro-
oocirt worden; ich erlaube mir daher mit einer ganz kurzen persönlichen Be-
merkung zu begiunen. Wenn ich in früheren Jahren, als es sich zuerst
um den Conslict über die Reorganisation der Armee handelte,
nicht Überall auf Seiten der Regierung gestanden habe, so ist
doch meiner Opposition von den verehrten Herren, die sic citirt haben,
meiner Ansicht nach eine ganz andere Stelle angewiesen worden,
als ihr gebührt. Dasjenige, was das Wesen der Reorganisation
ausmacht, d. h. also eine größere Ausbildung der wehrfähigen Mann-