Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artlkel 62. Vincke-H. 415 
was Friedrich der Große vom Könige von Frankreich sagte: „Ohne Bewil- 
ligung des Deutschen Volkes darf kein Kanonenschuß abgefeuert werden in 
Europa.“ Wollen wir das haben, so mussen wir nicht auf eine kurze Zeit, 
die nach vier Jahren in Frage gestellt werden kann, fondern durch dauernde 
Institutionen eine Armee begründen, die für alle Zeit ein Schrecken unserer 
Feinde ist, wir müssen wenigstens ein Minimum der Armee feststellen und 
als solches betrachte ich die Ziffer 300,000 Mann, die wir in kelnem Augen- 
blick heruntersinken lassen dürfen. Mau hat von Compromissen gesprochen 
als wesentlichen Bedingungen eines constitutionellen Staates. Darin stimme 
ich dem Abgeordneten für Harburg bei. Was wird deon aber heute anders 
erzielt, als ein Compromiß zwischen Denen, die die Nationalökonomie Über 
Alles setzen, und Denen, welche sagen — und darin pflichte ich dem Mit- 
gliede für Crossen bei —, ehe von der Nationalökonomie überhaupt die Rede 
sein kann, muß die Existenz gesichert sein; ehe die Existenz nicht feststeht, 
sind alles Andere nur Luftspiegeleien und Lucubrationen, die ins Blaue hin- 
einsallen. Aber dieser Compromiß, — und darin weiche ich von dem Abgeord- 
neten für Harburg und feinen Freunden ab, — welchen ich abzuschließen wünsche, 
wlinsche ich eben nicht auf Zeit, auf Kündigung geschlossen, sondern eben 
als die nothwendigste Grundlage des Norddeutschen Bundes für immer 
stabilirt zu fehen, d. h. bis auf ver fassfungsmäbigem Wege eine Ver- 
änderung erzielt wird; und daß diese jederzeit zulässig ist, weiß Jeder, der 
die Verfassung gelesen hat. Ich wünsche, daßb dem Auslande gegenüber diese 
Bestimmung wenigstens an die immer noch geringen Schwierigkeiten der Ver- 
fas sung sänderung gebunden ist, damit die anderen Länder ee erkennen 
als unser Grundgesetz, dab wir uns nicht länger vom Auolande, wie Deutsch- 
land dies seil Jahrhunderten gethan hat, auf der Nase tanzen lassen 
wollen. Ich wünsche, im Gegensatz zu dem Herrn Abgeordneten für Har- 
burg, daß dieses außerhalb der Reibungen, von denen er gefprochen hat 
und welche nothwendig eintreten müssen, wenn wir ein solches Compromiß 
nur auf kurze Zeitl schließen, festgestellt werde. Ich behaupte auch, daß — 
einen Staat ausgenommen, wo die Verhältnisse anders liegen — ein ähn- 
liches Minimum für die Armee in allen europäischen Staaten stets festge- 
standen hat und zwar als nothwendiger Theil des Budgets, und daß man 
an den beftehenden Einrichtungen nicht rütteln darf, daß diese vielmehr Über 
dem Streit der Parteien liegen, so daß nur elwa über einen Zusatz gestritten 
werden kann, als über etwas, was die eine Partei aunimmt und die andere 
ablehnt, daß man aber im Allgemeinen daran nicht rütteln darf. Der eine 
Staat, den ich meinc, ist England, auf welches hier von vielen Selten pro- 
vocirt worden ist. Aber erlauben Sie mir zu fagen, da Sie sich an diesem 
Beispiel aufrichten zu wollen scheinen, wie liegen die Verhältnisse in Eng- 
land? Was ist denn die Meuterei-Bill, die Autiny-Bill, von der hier ge- 
sprochen worden ist? Es handelt sich bei derselben nicht um den Präüfenz- 
stand der Armee, nicht um das Budget, sondern um eine Frage, die,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.