Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artilel 62. Vinckt · H. 417 
wie es jetzt möglich ist, eingesührt haben. Aber wie können Sie einen Bun- 
deskanzler, und wie können Sie ein Ministerium verantwortlich machen, wenn 
es nicht im Stande ist, beispielsweise im Jahre 1871 zu wissen, was für 
das Jahr 1872 von dem dann tageuden Reichstage beschlossen werden wird, 
ob wir danach im Jahre 1872 überhaupt noch eine Armer haben, wie stark 
sie sein würde, und ob wir uns würden auf sie verlassen können. Legen Sie 
nicht — mit andern Worten — im Voraus die Regierung dieses Landes 
und die Vertreter der Regierungen des Nordbeutschen Bundes für das Jahr 
1872 und solgende vollständig lohm, wenn Sie ihr nur einen Wechsel 
aus die Zukunst geben, aus die gute Gesinnung des Landtages von 18712 
Setzen Sie nicht eigentlich auch für die ganze Zwischenzeit bis zum Jahre 
1371 unsere ganze Stellung in Europa auf eine Karte? Sie spielen damit 
nur das va banque aus, ob im Jahre 1871 der Patriotismus die ihm ge- 
bührende Vertretung im Reichstage finden wird! (Sehr richtig! rechts.) Sie 
haben von Dictatur gesprochen, — und heute hat das verehrte Mitglied 
für Harburg es übersetzt in dem Worte: „der nackte Absolutismus“. Ich 
weiß nicht, was Sie, und was das genannte Mitglied insbesondere, nack ten 
Absolutismus nennt. Wenn der König von Preußen als Bundesseldherr 
die sestgesetzte Summe verausgabt innerhalb der Grenzen, in welchen 
sie bewilligt, was ihm innerhalb dieser Grenzen gewiß unverschränkt ist, und 
wenn er die Ueberschüsse, die sich etwa aus den Rechnungen ergeben, an die 
Bundeskasse durch das Ministerium abzusühren hat, — nennen Sie das 
Absolutismus? Ich nenne es eine sestbegrenzte Gewalt, die noth- 
wendig der Bundesseldherr haben muß, wenn er, wie es unbedingt ersorder- 
lich ist, über die Schwankungen der Meinungen einigermaßrn erhaben sein, 
und wenn er eine Europäische Politik zu machen im Stande sein soll. (Bravol) 
Sie haben uns an das Gesetz von 1814 erinnert; der Herr Abgeordnete für 
Wolmirstädt hat gestern gesagt: wir wollen ja Nichts weiter, als was im 
Gesetze von 1814 bestimmt wurde, worin gesagt ist: „Die Stärke des stehen- 
den Heeres wird nach den jedesmaligen Staatsverhältnissen bestimmt.? Ja, 
wenn der Herr Abgeordnete uns auf die Zustände von 1814 zurückschrauben 
will, so würde er in einer gewissen Beziehung Recht haben. Wer hatte denn 
im Jahre 1814 darüber zu versügen? Doch nur Seine Moajestät der König 
nach der damaligen politischen Lage des Landes. Jetzt aber würde die Be- 
sugniß, die Stärke der Armee zu bestimmen, doch nach seiner eigenen In- 
tention mit dem Reichstage zu theilen sein, und es würden daher alle die 
Grfahren eintreten, die ich mir zu schildern erlaubt habe, was wir eben durch 
das Amendement beseitigt zu wissen wünschen. Der Herr Abgeordnete hat 
uns gesagt, es trete keineswegs ein „vacuum“ ein; es würde ja dem Be- 
schlusse der Neichsvertretung eine Einigung mit dem Bundesrathe Überlassen 
bleiben. Ja, meine Herren, wer sichert uns denn eine entsprechende Gesin- 
nung der Reichsvertretung. Wer sichert uns davor, daß in der Reichsvertre- 
tung zu jener Zeit nicht gewisse nationalökonomische Ideen vorherrschen, oder, 
Naicriallen. Il. 27
	        
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