Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artilel 62. Vinde · H. 421 
sichern, muß ein hinlänglicher Procentsatz unserer waffenfähigen Bevölkerung, 
wie ich es für nothwendig halte, stets in den Wafsen ausgeblldet werden. 
Ich hätte also umgekehrt, wie der Herr Kriegsminister, sagen mögen: in 
den künftigen Jahren soll nicht mehr der Procentsatz von 1867 genommen 
werden, sondern es soll immer der Satz von 1 Procent der dann bestehen- 
den Bevölkerung bleiben, um den Zweck der möglichsten Uebung der ganzen 
Nation in den Waffen zu sichern. Die Regierung hat diesen Standpunkt 
nicht geglaubt einhalten zu brauchen, und ich begrüße das im Namen der 
Nation, die ich mit zu vertreten habe, dankbar, wenn ich auch nicht läugnen 
will, daß mir ein kleiner Zweifel in der Beziehung geblieben ist. Aber um 
so weniger werde ich auf die noch weiter gehenden Absichten des verehrten 
Abgeordneten für Wolmirstedt eingehen, der sogar diesen Procentsatz mög- 
licherweise nach vier Jahren wieder in Frage stellen will. Wenn wir über- 
haupt wehrhaft bleiben wollen, so müssen wir nothwendig eine solche Anzahl 
in den Waffen üben, als mindestens annähernd jährlich das zwanzinste Lebens- 
jahr erreichen. Gehen wir unter diese Zahl hernnter, so deterioriren wir 
damit den militärischen Geist der Nation, den wir, so Gott will, erhalten 
wollen; und weil wir diese Deteriorirung nicht wollen, so können wir unter 
diese Minimalsahl um so weniger herunter sinken, als mit dem Wachsen der 
Bevölkerung der Procentsatz von selbst sich vermindern muhß, also anch die 
militärischen vasten der Bevölkerung sich vermindern müssen. Sollte aber 
daun wirklich in späteren Jahren die Lage von Europa — und das er- 
laube ich mir dem Herrn Abgcordueten für Wolmirstedt zum Troste zu sagen 
— so paradiesisch sich gestalten (Heiterkeit), daß die europäischen Heere ver- 
mindert werden können, wie er uns dies in Aussicht gestellt hat, und sollte 
es daher einer so großen Präsenzzahl der Armee nicht mehr bedürfen: ja, 
meine Herren, wer hindert dann den Reichstag, wer hindert uns, wer hin- 
dert die verblindeten Regierungen, daun, wenn es ÜUberhaupt zulässig ist, 
mäßigere Auforderungen zu stellen? lleberhaupt wie deukt man sich denn 
diesen Gegensatz' Man spricht uns immer von einem Gegeusatz zwischen 
der Krone und der Laudesvertretung, — ein Gegensatz, den ich in dieser Be- 
ziehung gar nicht anerkenne. — Ich meine, wir haben ebensowohl die Rechte 
der Krone, als Seine Majestät der König und respective die anderen mit 
ihm verbündeten Monarchen die Rechte des ganzen Volkes zu schützen, um 
das Wohl dee gauzen Volkes zu fördern. Ich glaube, wenn man ihnen 
überhaupt die Erfüllung einer so erhabenen Aufgabe, dieser Pflicht, die wir 
in Preußen, wie ich schon neulich sagte, seit Jahrhunderten nicmals haben 
verleugnen sehen, nicht zutraut, dann stellt man das wesentlichste Element 
des Norddeutschen Bundes überhaupt in Frage, und ich habe noch nicht ge- 
hört, daß das von irgend einer Seite ernstlich in Frage gestellt worden ist. 
Aber eine versteckte Anzweiselung liegt doch offenbar darin, wenn man einen 
solchen Gegensatz der Krone zur Volksvertretung Überhaupt nur hier einfüh- 
ren will. Ich denke, meine Herren, darin sind doch die Interessen der Lan-
	        
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