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nicht weiter. Das giebt den Unterschled zwischen einem politi-
schen Charakter und einer Molluske. Man darf uns nicht zumuthen,
daß wir unbedingt Allem zustimmen sollen, was in dem vorliegenden Ver-
fassungsentwurfe gefordert wird und darauf hinweisen, wir sollten nicht der
Regierung Schwierigkeiten bereiten, nicht Uneinigkeiten vor Europa bloslegen,
wie der Herr Abgeordnete Wagener uns mahnte. Melne Herren, es han-
delt sich bei der gegenwärtigen Stelle des Entwurfes nicht um die
auswärtige Politik, sondern um eine constitutionelle Frage von
dem höchsten Gewicht, und die darf nicht nach den Rücksichten des Augen-
blicks entschieden werden. Meine Herren, wir dürfen nicht um augenblick-
licher Bedürfnisse willen dauernd Institutionen gründen; wir müssen unter-
scheiden zwischen dem, was der Augenblick erfordert, und zwischen dem, was
dauerndes Recht in unserem Vaterlande werden soll. Diejenigen, welche
das Pauschquantum, welches in dem Artikel 58 des Verfassungsentwurfes
nicht, wie ich dem Herrn Kriegsminister von Roon gern zugeben will, für
die Militairverwaltung, wohl aber für die Volksvertretung für immer fest-
gestellt wissen wollen, die Vertheidiger dieser Bestimmung thun immer, als
wenn ohne dieselbe überhaupt keine dauernden Institutionen vor-
handen wären, als wenn ohne eine solche Bestimmung die Existenz der
Armee jeden Augenblick in Frage gestellt werden könnte. Herr
von Bincke sagte: wenn man das Pauschquantum auf eine bestimmte Frist
einschränkte, würde man nicht wissen, ob 1872 üÜberhaupt noch eine Armee
vorhanden sel. Meine Herren, gegen die Voraussetzung, daß künftig
in unserem Vaterlande Seitens der Volksvertretung absurd gehandelt
würde, daß eine Volksvertretung jemals die Existenz der Armee oder
vielleicht die Existenz des Staates Überhaupt in Frage stellen
könnte — gegen die schützt der gesunde Menschenverstand, gegen
die schützt auch in unserem Falle, so weit Überhaupt ein recht-
licher Schutz möglich ist, das Gesetz. Der Herr Kriegsminister von
RNoon schien gestern anzunehmen, daß schon durch die Bestimmung, daß die
jetzige Ziffer der Armee auf eine bestimmte Zahl von Jahren beschränkt wer-
den solle, der Bestand der Armee Über diese Jahre hinaus in Frage gestellt
werden könnte. Herr von Forckenbeck, meine ich, hat bei Motivi-
rung seines Amendements hierüber bereits beruhigt. Herr von
Forckenbeck erkannte ausdrücklich an, daß die jetzige Organisation die Grund-
lage für die Bewilligung an Maunschaften und Geld für die Folge bilden
wird. Meine Herren, es versteht sich von selbst, das constitutio-
nelle Recht und die constitutionelle Moral hat für jede Volks-
vertretung ihre Grenze an den bestehenden Gesetzen, keine Volks-
vertretung darf dasjenige verweigern, was zur Ausführung eines
bestehenden Gesetzes erforderlich ist, und das ist auch noch niemals
geschehen, weder in Preußen, noch, so viel ich mich erinnere, in
Deutschland üÜberhaupt. Ich glaube auch, jede Volksvertretung,