Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artilel 62. Twesten. 47 
andern Orte gesprochen hat: „nicht sicherer kann man unzulässige Beschlüsse 
elner Landesvertretung herbeiführen, als wenn man sie auf den Rang einer 
bloß berathenden herabdrückt, auf deren Beschlüsse nichts ankommt“. Meine 
Herren, fUr die Zukunft handelt es sich nicht um neue Organisationen, wie 
es sich darum während des Conflicts in Preußen handelte, für die Zukunft 
handelt es sich um gesetzlich feststehende, begrUndete und durchgeführte Or- 
ganisationen, und der Bestand solcher Organisationen konn im Wege der 
regelmäßigen Budgekbewilligung niemals angetastet werden und wird es auch 
nicht. Wenn Jemand glaubt, einem folgenden Reichstage nicht das Ver- 
trauen schenken zu können, daß er sich den Nothwendigkeiten der Lage des 
Staats zugänglich erweist, dann kann Uberhaupt nicht von einer constitutio- 
nellen Verfassung die Rede sein. WGenn man etwa darauf verweisen wollte, 
daß es sich nicht bloß um eine Verständigung zwischen der Preußischen Re- 
gierung und dem Reichstage handelt, sondern auch um eine Verständigung 
wischen der Preußischen Regierung und den übrigen Staaten; ja, meine 
Herren, da muß ich sagen: glaubt man wirklich, daß, wenn die Preußische 
Regierung und der Reichstag einig sind, sich unter den 21 andern Regierun- 
gen nicht fünf finden werden, welche mit der Preußischen Regierung stimmen, 
dann ist Uberhaupt die ganze Bundesverfassung ein Unding. Ein Majori- 
siren Preußens durch die audern Staaten ist ein Widerspruch mit dieser Ver- 
fassung; sie beruht auf der Jdec der Preußischen Leitung, und ein Wider- 
streben der Übrigen Staaten gegen die Preußische Leitung würde die Bundes- 
verfassung Überhaupt in die Luft sprengen. Heute ist darauf aufmerksam 
gemacht worden: die Sache könnte sich etwas anders stellen bei den Ver- 
handlungen mit den Süddeutschen Regierungen. Meine Herren, kommt die 
Zeit, so werden wir möglicher Weise andere Einrichtungen treffen können: 
wenigstens die vorläufigen Verträge mit den Süddeutschen Regierungen wer- 
den durch unsern heutigen Beschluß ebensowenig tangirt, wie die Verträge 
mit den kleinen Staaten des Norddeutschen Bundes, mit denen gegenwärtig 
besondere Conventionen abgeschlossen worden sind. Ich glaube aber in der 
That, meine Herren, eine solche Berufung auf die kleinen Staaten und die 
Moglichkeit, daß diese Staaten der Preußischen Regierung im Bunde mit 
dem Reichstage ernste Schwierlgkeiten bereiten könnten, wird ein bloßer Vor- 
wand sein; der wahre Grund des Widerspruchs ist das durch die letzten Jahre 
angeregte Mißtrauen gegen die Volksvertretung. Man farchtet Beschlüsse, 
denen man sich nicht sügen will. Der Herr Kriegeminister hat heute aus- 
drücklich auf das thatsächliche Verhältniß hingewiesen, wenn in Preußen Aus- 
gaben verweigert seien, welche die Regkerung für nothwendig erachtete, so 
habe sie eben das Geld im Kasten gehabt, und im Vertrauen auf diese that- 
sächliche Macht und das in ihren Händen befindliche Geld habe sie sich über 
das Ausgabebewllligungsrecht des Abgeordnetenhauses hinwegsetzen können. 
Meine Herren, auf solche thatsächliche Macht darf man sich nicht berufen, 
wenn es sich um die Gründung einer Verfassung haudelt. Thatsächlicher
	        
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