Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

470 Bundesfinanzen. 
stehen geneigt ist. Er nahm dort ein Redner von jener Seite des Hauses 
Bezug auf frühere Aeußerungen des Herrn Grasen von Bis- 
marck, worin derselbe sich dahin erklärte (im Preußlschen Abgeordneten- 
hause nämlich), daß der Constitutionalismus beruhe auf dem Sy- 
stem der Compromisse; und das, meine Herren, scheint mir eine un- 
umstöbliche Wahrheit zu sein. Allein ich bin der Melnung, die 
Compromisse müssen sich auf demselben Boden begegnen, sie müssen 
nicht ausgehen von dem Budgetrecht, um mit demselben Concessionen herbei- 
zuführen auf einem anderen Gebiete der Gesetzgebung, und das ist eben die 
yhroße Gesahr, welche das Budgetrecht bietet, daß man dasselbe gebraucht, um 
damit die Regierung zu Concessionen zu zwingen, die nicht in den Positlo- 
nen des Budgets ihre Grundlagen finden, sondern die sich auf ganz anderen 
Gebielen bewegen. (Sehr richtig!) Wenn ich nun die Eröffnungen des Herrn 
Präsidenten der Bundescommissarien richtig verstanden habe, so 
würden die verbündeten Regierungen wohl geneigt sein, statt 
der in Artikel 65 u. 66 d. E. enthaltenen Bestimmungen einen wirklichen 
Etat ein treten zu lassen und von dieser Voraussetzung aus würde 
ich danu unbedenklich mich den Amendements im Allgemeinen an- 
schließen können, die von den Herreu Miquel und Genossen gestellt 
worden sind. Es ist dort wie es in dem Preußischen Abgeordnetenhaus oder 
vielmehr in der Preußischen Versassung der Fall ist, ein regelmähiger Etat 
vorgesehen. Sämmtliche Einnahmen und Ausgaben sollen alljährlich auf den 
Etat gebracht und durch ein Etatsgesetz sestgestellt werden. Davon weicht 
die Regierungsvorlage sehr wesentlich ab. Die Vorlage sagt von den Ein- 
nahmen, sagt davon, daß die Einnahmen auf den Etat gesetzt werden sollen, 
gar nichts, sondern spricht lediglich von den Ausgaben und will auch die 
Ausgaben auf die gauze Dauer einer Legislaturperiode feststellen. Ich glaube 
nun, meine Herren, daß es sich in der Praxis empfehlen würde und ich 
zweifle auch kaum, daß es in der Zukunft in der Praxis sich so gestalten 
wird, daß der Etat für die Dauer einer Legislaturperiode festzustellen ist — 
und zwar gerade in Berücksichtigung der Eigenthbmlichkeiten dieser Norddeut- 
schen Verfassung. Allein ich glaube andererselts, daß kein wesentliches Princip 
dadurch verletzt wird, wenn wir für jetzt beschließen, daß die Einnahmen und 
Ausgaben jedes Jahr festgestellt werden sollen; ich glaube, daß unsere 
Nachfolger vielleicht von selbst dazu kommen werden, diese Bestimmung dahin 
abzuündern, daß der Etat für eine Legislaturperiode festgestellt wird. Wenn 
ich, meine Herren, gesagt habe, daß ich mich im Allgemeinen für die 
Vorschläge der Abgeordneten Miquel und Genossen zu stimmen entschließen 
könnte, so muß ich damit doch die weseutliche Einschränkung verbinden, daß 
gleichzeitig eines der Amendements zur Annahme komme, welches von den 
Herren Dr. Friedenthal und Genossen oder aber vielmehr dasjenige, welches 
von dem Herro Grafen Bethusy und auderen Collegen, unter auderen auch 
mir selbst gestellt worden ist. Ich glaube nämlich, daß wir nicht umhin
	        
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