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Interessen des Volkes in diesem Reichstage zur Geltung kommen, und es
müssen einseitige Bestrebungen oder Richtungen unter keinen Umständen
durchgeführt werden können. Diese Sicher ung ist in einem Einzel-
haus Uberhaupt nicht gegeben, weder die zuverlässige gründliche und all-
seitige Erwägung, noch die Stetigkeit der Eutwickelung der Staatsverhält.
nisse ist durch eine Einzelkammer zu erreichen. Dazu ist der nothwendige
Ausgleich zwischen zwei Kammern, zwischen Ober= und Unterhaus
dringend ersorderlich. Ich würde glauben, Ihre Geduld zu mißbrauchen,
wenn ich die Nothwendiglelt des Zweikammersysteme hier theoretisch
erörtern wollte, ich verweise für die Nothwendigkeit des Zweikammersystems
auf alle Versassungen größerer Staaten. Uleberall findet sich neben dem
Hause der Gemeinen ein temperirendes Oberhaus, wie auch immer seine
Besugnisse ausgestattet sein mögen. Auch wir werden ein solches nicht ent-
behren können schon im Interesse des monarchischen Prineips, welches un-
bediugt doch sestgehalten werden muß. Ich glaube nicht, daß es rathsam sein
kann, einem aus directen allgemeinen Wahlen hervorgegangenen Volks-
haus die Mouarchie ohne weitere Ausgleichung, ohne Vermitt-
lung, ohne Schutz entgegen zustellen. Das ist nach meiner Kenntu#ß der
Deutschen Geschichtsentwicklung durchaus zuwider und wir werden,
sürchte ich, wenn wir uns auf die Vorlage so einlassen, in der serneren Zeit
sehen, daß da ein Anprall angebahnt wird, der uns Allesehr schmer-
zen wird, denn ich bin überzeugt, daß wir Alle wünschen, daß die
Krast der Monarchie in keiner Weise gesährdet werden könne.
Außerdem aber bin ich auch der Uceberzeugung, daß bei einem Einzelhaus
einzelne wichtige hier besonders ins Gewicht fallende Inter-
essen gar nicht gewahrt werden. Zunächst finde ich bei dem hier vor-
geschlagenen Einzelhause nicht genügend gewahrt die Interessen der
Einzelstaaten. Die Einzelstaaten müssen nach meinem Dasürhalten in
einem Oberhaus nothwendig elnen besonderen Schutz sinden, auch dadurch,
daß sie in demselben ihre besondere Vertretung haben. In der Richtung
muß das Oberhaue die Bedeutung eines Staatenhauses haben.
Zweitens müssen nach meinem Dasurhalten in dem Oberhaufe dle aristo-
kratischen Elemente des Staates eine dauernde sichere Vertre-
tung sinden. Es hat ein Redner hier vorhin gesagt, die Aristokratie
habe nunmehr Ferlen. Nein, meine Herren, die Aristokratic hat keine
Ferien, zu meinem Bedaueru macht sie sich sehr viele Ferien, (Heiterken)
aber sie hat sie nicht und die Herren aus der Aristokratie, welche hier letzt
erschienen und so fleißig an den Berathungen Theil nehmen, haben allerdings
bewlesen, daß sie erkannt haben, es sei nicht die Zeit zum Feiern. (Sehr
richtig" rechts.) Ohne Aristokratie in ständischer Versassung ist
weder das monarchische Princlp dauernd aufrecht zu erhalten,
noch ist die Gemelnfreiheit ohne Aristokratie aufrecht zu erhal-
ten. Wenn in einem großen Nachbarlande wir in einem halben Jahr-