Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artkel 69—73. Gneik. 499 
mus, der die Geltung aller unfrer dauernden Institutionen und Gesetze zwar 
nicht direct angreisen will, aber ihnen eine bittweise Existenz, eine Duldung 
zugesteht, mehr nicht. (Sehr richtig! Bravol!) Es bestehen Über das Ver- 
hältniß des Staatshaushalts Jrrthümer, die nicht auf großen Grundsätzen 
beruhen, sondern die eutstanden sind durch die Unkenntniß des praktischen Zu- 
sammenhanges dieser Dinge in den fremden Verfassungen, aus denen stets 
raisonnirt wird. Nun, meine Herren: ist dies Budzetrecht, so hingestellt, in 
Widerspruch mit unserer allgemeinen Wehrpflicht — ist es unzureichend, so 
solgt daraus, daß man es corrigiren muß, um es lebens= und tragfähig zu 
machen. Und das geschieht, indem man es begren zt durch Gesetze. Ist 
die absolute Monarchie nicht mehr im Stande, die heutigen großen Europäi- 
schen Staaten zu lenken, nun, meine Herren, so verstärkt man die absolute 
Monarchie, indem man sie an Gesetze bindet, indem man die Ausübung der 
Hoeheitsrechte durch feste Gesetze regelt, die der König nicht mehr einseitig 
ändern kaun; und Sie sehen, die gesetzlich beschränkte Monarchie stärkt sich, 
%ummit verjüngter Kraft die Geschicke der Völker Europa's zu leiten. (Bravol) 
Nun, meine Herren, ist das absolute Recht der Geldbewilligung, absolut hin- 
gestellt, nicht tragfähig, so verstärkt man es durch Gesetze. Man giebt ihm 
die bestimmte Schranke, die heißt „Contingentzahl, Präsenzzahl“, und siehe 
da, durch eine gesetzliche Schranke verstärkt, wird das Recht sehr tragfähig, 
(Sehr richtig!) sehr lebendig und wirksam. Innerhalb dieser Schranke 
bleibt der Majorität der Volksvertretung allerdings ein Splelraum von Millio- 
nen glelch anfangs, der mit dem Fortschritt der Bedlirfnisse wächst. Inner- 
halb dieser Grenze bleibt die gewaltige Besugniß, über die gerechte, billige 
und augemessene Vertheilung dieser Geldmassen mitzubeschließen. Inner= 
halb dieser Schranke kann keine Staateregierung sich dem mitbestimmenden 
Einfluß einer Volksvertretung entziehen. In diesen Greuzen ist das Budget- 
bewilligungsrecht stets wirksam gewesen und wird stets wirksam seiu. Meine 
Herren, das heißt nicht das Budgetrecht aufgeben, das heißt das Budgetrecht 
erst zu Etwas machen, ebenso wie man die absolute Monarchie lebendig ge- 
macht hat durch Gesetze, die ihre Befugniß regeln. (Bravol) Innerhalb 
dieses Spielraums wird auch für die Zukunft der Deutsche Reichstag seinen 
durchaus sachgemäßen und gesunden Einfluß auf den Gang der Regierung 
ausüben können. Dem Ausruf gegenüber, daß hier das Budgetrecht geopfert 
würde, daß es doch notorisch sei, daß es das Abe aller constitutionellen Rechte 
sei, daß die Kammern jährlich ÜUber den Bestand der Armec, über sämmtliche 
Einnahmen und Ausgaben beschließen müßten — erlauben Sie mir eine einzige 
Zwischenbemerkung. Selbst in England besteht die gesetzliche „Coustitution“, 
die Reglerung nach Gesetzen nur durch die Voraussetzung, daß vier Fünstel 
sämmtlicher Staatseinnahmen und die Hälfte der Staatsaus- 
gaben jeder Bewilligung des Unterhauses entzogen sind, (Bei- 
fall) nicht aus Schwäche, aus Mangel an großen Grundsätzen über das, 
was zu einem constitutionellen System gehört, sondern aus der praktischen 
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