500 Bandesfinanzen.
Ersahrung heraus, daß dies die nothwendige Schranke ist, ohne welche jede
Regierung nach Gesetzen ein leeres Wort bleiben würde, weil jedes Gesetz
in die Discretion, die Gnadenexistenz durch Moajoritätsbeschlüsse jedes Jahr
gestellt wäre. (Hört! hört! — Sehr richtig!) Ich sage das beiläufig, denn
wir sprechen ja nur von der Preußischen Militärverfassung in ihrer Stellung
zu unserem Ausgabebewilligungsrecht. Was wir selbst seit Jahrhunderten
gesordert haben, ist jetzt angeboten worden. Aus welchem Grunde dies ge-
schehen ist, wollen wir nicht untersuchen. Die Gründe sind doch vielmehr
freudiger Art als beschämender Art. Aber nachdem es angeboten ist, sehe
ich keinen anderen Ausweg, als dieses Angebot gegen unsere Jahre lang ge-
stellte Forderung anzunehmen. Es ist wahr, daß wir jetzt auf eine hohe
Zahl und Summe — mehr als 10,000 Mann über unsere Vergleichszahl
von 1865 kommen werden. Ist das Moaß zu hoch, so war es hier die Stelle
eine andere Zahl vorzuschlagen. Wenn dies von keiner Seite und von
keiner Partei geschchen ist — ich will nichl sagen, ob nicht gewollt oder nicht
gewagt ist — wenn Niemand die Verantwortlichkeit übernommen hat, etwas
anderes vorzuschlagen, so bleibt nichts übrig, als die benannte Summe an-
zunehmen, (Sehr richtigl) und dann ohne Vorbehalt und ohne Rückhalt,
(Bravol) und uns an den Gedanken zu gewöhnen, daß das, was als Gesetz
von diesem Hause anerkannt ist, nicht mehr anders als durch Gesetz aufge-
hoben werden kann. Ob es auf fünf Jahre oder auf zehn Jahre, zunächst
als Verfassungsartikel und dann erst als Gesetz beschlossen wird, oder
von Anfang an einsach die Kraft des Gesetzes hat, welches nur durch Ge-
setz wieder ausgehoben werden kaun, scheint mir in der Sache nicht weit aus-
elnander zu liegen. Wenn der Grundsatz einmal gesetzlich feststeht, dabß unsere
Armee 300,000 Mann stark sein soll, so wird alles übrige darllber Hinaus-
liegende unnsthig sein und nur den Schein veranlassen, als ob Rückhalte
dabei seien. Es wäre eine unrichtige Auffassung, zu sagen, dieses Haus solle
auf feste Budgetbefugnisse verzichten und „nichts“ dafür erhalten. Nein, die
ganze Frage, wie sie seit sechs Jahren lag, ist die: Sollen diese Punkte, lber
welche wir gegen den Absolutismus gestritten haben, Gesetz werden oder
nicht? Sind sie Gesetz, so haben wir eine Beschränkung auf der einen Seite
und eine machtvolle Schranke auf der anderen Seite. So schwer wir an
diese Entscheidung herangehen, sie ist nicht ein „Compromiß“, sondern ein
Entschluß zur Anerkennung eines ganzen Grundsatzes in seiner ganzen Wahr-
heit? Wir kommen damit allerdings in Collision mit vorhergefaßten Mei-
nungen. Ich will sie offen nennen. Wir kämpfen dabei mit dem schwersten
Mangel unseres politischen Lebens in Deutschland, mit der allgemeinen
und gleichvertheilten Gesetzesschen, die sich heute liberal, morgen
conservativ, heute monarchisch, morgen demokratisch nennt, die aber immer
basselbe ist: das Erbstück der absoluten Monarchie, die Gewöhnung daran,
niemals ein volles Recht, einen vollen Grundsatz ohne Rückhalt aner-
kennen zu wollen, sondern Politik der freten Hand zu halten — und dann