Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

526 Bundtsflnanzen. 
wenn Sie von Mißbranch sprechen, wie geftern geschehen ist, und das gerade 
immer Mißbrauch nennen, fo sind Sie im Irrthum; denn der eine Theil 
gebraucht sein Recht, wie der anderc, und ein Mißbrauch der Gewalt gegen- 
über ist ein unrichtiges Wort. Meine Herren, es wird alfo in diesen An- 
gelegenheiten ein großes Spiel mit Worten getrieben. Es ist das Aeußerste 
allerdings, wenn ein parlamentarischer Körper das ganze Budget verweigert, 
wozu cr das Recht hat, wozu er im Sinne des Gesetzes und im Sinne der 
ganzen Institution berechtigt ist, wie Ihnen ja jedes staatsrechtliche Com- 
pendiumm sagt und jedes Lexieon, was in dieser Beziehung die Sache vom 
constitutionellen Standpunkte bearbeitet, sagen wird: er soll dieses Recht haben! 
Dieses Recht besitzt er in England. Aber wie foll dieses Recht ausgebt werden? 
Soll es regelmäßig zur Ausführung kommen? Natürlich nicht, denn dabei wäre 
kein Staat möglich, — es existirt aber. Wie man In Eugland die Reformbill 
verweigerte, wic an den Häusern von Liverpool angeschlagen wurde: „Hier werden 
keine Steuern mehr bezahlt“, so war das wohl verständig; und eine kluge und 
tüchtige Regierung, wie sie sich in England doch immer aus der Aristokratie her- 
aus bildet, verstand den Wink, gab der öffentlichen Meinung nach; die Reform- 
bill lam, der Herzog von Wellington mußte zurücktriten. Sollen solche 
Dinge irgendwie regelmäßig oder muthwillig ausgellbt werden? Daznu ist 
bei uns nicht die geringste Furcht vorhanden und unsere Conflietjahre zeigen 
Ihnen ja, daß das Abgcorductenhaus, obgleich es dieses Recht jeder Zeit be- 
hauptet hat, doch keinen Gebrauch davon machte, lmmer nur auf die offene 
Wunde den Nagel legte und immer nur die Wehrkosten nicht bewilligte, aber 
nicht das Ganze verweigerte aus fehr wichtigen und aus sehr durchschlagen- 
den Gründen, die es durchaus rechtfertigen, auch selbst in dieser äußersten 
Stellung, kann man wohl sagen, gerade in Preußen und gerade nach den 
Conjuncturen, wic fie unsere Verfassung giebt, nicht davon Gebrauch zu 
machen. Es sollten — und das ist das constitutionelle Princip und das 
Prineip der Ministerverantwortlichkeit, die Sie freilich nun dreimal aus die- 
fem Gesetze exportirt haben — die Minister verantwortlich fein, das König- 
thum nicht verantwortlich; die Verantwortlichkeit der Minister und das 
Budgetrecht des Abgeordnetenhaufes, die ftehen in einer unzertrennbaren Ver- 
bindung. Von allen jenen Reden, die wir hier gehört haben, daß es gerade 
auf den und den Titel des Etats ankämc, daß es unzulässsg wäre, derglei- 
chen wegzustreichen, das unmöglich zu machen, was zum Ordinarium gehört, — 
verdient auch nicht cine einzige Widerlegung. Denn, meine Herren, das 
Ordinarium zu streichen, wann lst dies geschehen? Niemals, und es wird 
zu keiner Zeit geschehen und es ist nicht gegründet zu vermuthen, daß es 
geschehen wird, es sel denn, daß Alles gestrichen würde in jener höchsten 
Noth, in der sich ein Voll allerdings möglicher weise besinden kann. 
(Bravokl links; Unruhe rechts.) ZJa, meine Herren, die Regierung 
soll im Einklang mit dem Volke regieren. (Bravol links.) Das 
ist das große Prineip, nicht das demokratische, das eonstitutio-
	        
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