Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 69. Friesen. 545 
verweigern lassen, und ich glaube, selbst die eisrigsten Vertheidiger des Be- 
willigungsrechtes werden nie dahin kommen, zu sagen, wir wollen alle Zoll- 
schranken aufheben und es soll Jedermann einführen können, was er will, 
die Zölle sollen künstig wegfallen. Ich glaube also, meine Herren, die ganze 
Frage über das Budgetbewilligungsrecht knüpft sich nur in sehr untergeord- 
neter Weise an die Bewilligung der indirecten Abgaben. Demnächst handelt 
es sich nun um die Bewilligung der Matricularbeiträge. Hierbei geht der 
Verfassungsentwurf von der Ansicht aus, daß die nothwendigen theils ver- 
fassungsmähbig festgestellten, thells bewilligten Ausgaben, welche aus den ge- 
meinschastlichen Einnahmen nicht gedeckt werden, — und das ergiebt sich durch 
ein ganz einfaches Rechenexempel — auf dem Wege der Matricularbeiträge aus- 
zuschreiben sind. Nun, meine Herren, allen Denjenigen, die so sehr darauf 
bestehen, daß auch die Höhe der Matricularbeiträge durch ein besonderes Ge- 
setz festgestellt werden soll, gerade Denjenigen gegenliber ist wohl die Frage 
aufzuwerfen: was soll denn nun in dem Falle geschehen, wenn ein solches 
Bundesgesetz nicht zu Stande kommt? Hier werden nämlich die Folgen da- 
von ganz andere sein, als sie möglicherweise in einem Einheitsstaate sein 
können; denn wenn Sie ganz bestimmt in der Verfassung aussprechen, daß 
diese Matricularbeiträge nur ausgeschrieben werden können, wenn ein Bun- 
desgesetz zu Stande gekommen ist, ja meine Herren, dann ist ja keine einzige 
Einzelreglerung ihren Kammern, ihren Ständen gegenüber berechtigt, solche 
Matricularbeiträge, die vielleicht ganz nothwendig sind um die Armee zu 
erhalten, zu bezahlen, wenn kein Bundesgesetz zu Stande gekommen ist. 
(Sehr richtig! rechts.) Dann heben Sie aber in einem solchen Falle die 
Grundlagen des Bundes sofort auf. (Sehr richtig! rechts.) Das unter- 
liegt gar keinem Zweifel, ja es folgt nothwendig daraus, daß wir es nicht 
mit einem Einheitsstaat, sondern mit einem Bunde zu thun haben, die ge- 
meinschaftlichen Bundessteuern und die Matricularbeiträge sind aber der eigent- 
liche Kitt, der den Bund zusammen hält. Wollen Sie also auch für den 
Zund auf das Bewilligungerecht, wie es Gegenstand des Kampfes in Preußen 
gewesen ist und wie es in einzelnen Staaten besteht, unbedingt beharren, 
dann können Sie leicht den Fall herbeiführen, daß beim Nichtzustandekommen 
eines Bundesgesetzes die Folgen weit größer sind, als sie selbst irgend Jemand 
von Ihnen beabsichtigen kann. Es kann das Auseinanderfallen des ganzen 
Bundes eintreten. (Bravok rechts.) 
Schluß der Disecussion über Artikel 69 angenommen. Unter Aus- 
setzung der Abstimmung") wurde zur Debatte über Artikel 70 überge- 
gangen.““) 
) Die AUbstimmung erfolgte am Ende des Abschnities „Bundeefinanzen". Siehe 
boselbst. 
½%%% St. Ver. S. 650 r. o. 
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