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un bedingten Rechtsschutzes, er hat das Recht, frei zu gehen, zu
wandern, zu verkehren, er hat das Recht, frei zu denken, er hat das
Recht, frei zu beten; aber, meine Herren, er kann un mögllch nach
seiner Vernunft und Sitte das Recht in Anspruch nehmen, für
feine Mitmenschen den Gefetzgeber zu ernennen. Dieses Recht
kann ihm nur erwachsen, wenn er der Gemelnschaft seiner Mit-
menschen sich zu demselben qualisieirt erweist, wenn er der Ge-
meinschaft nachweist, daß er die Leistungskrast und die Leistungsbereitwillig=
keit hat, ohne welche im Staate und in der Gesellschaft Niemand ein her-
vorragendes Recht der Herrschaft auszullben befugt sein soll. Und, meine
Herren, foweit ich die Geschichte parlamentarischer Staaten kenne, ist nie-
mals parlamentarifche Macht, ist niemals parlamentarische
Wirksamkelt dauernd entwickelt worden, wo nicht das Wahl-
recht fort und sort nach dlesem Maßstabe von Seiten der Gemein-
schaft, von Selten des Staates bemessen und den Einzelnen Überllesert
worden ist. Der Staat, der in größerem Maße als jeder audere die Kraft
der parlamentarischen Institutionen entwickelt hat, der Englische Staat,
hat bis zu Anfang dieses Jahrhunderts den Gedanken des all-
gemeinen Stimmrechts nicht gekannt. Grade in dem vorigen
Jahrhundert, wo das Unterhms Schritt auf Schritt in seiner impo-
fanten Entwickelung that, war am allerwenigften die Rede von der
politlichen Anschauungsweise, die ich eben kurz beschrleben habe;
Niemand hatte den Gedanken daran, daß der einzelne Mensch krast seiner
Mernschenrechte, krast seines persönlichen Daseins zur Auslbung des Wahl.
rechts berusen werden könnte. Es waren hberall historische Titel, welche
den Genossenschaften, welche den Einzelnen das Wahlrecht verliehen; es war
vor allen Dingen die thätige, opfervolle Stellung im Selsgovern-
ment des Landes, welche die Genossenschasten und die Einzelnen in das
Parlament berief. Und, meine Herren, nachdem im Jahre 1831 durch die
Reformbill dieser Boden verlassen worden, hat in England eine Ent-
wickelung begonnen, von der bis jetzt noch kein Prophet scharf-
finnig genug gewesen ist, um sagen zu können: ist sie eine Ent-
wickelung zum Besseren oder ist sie der Weg zur Euthanasie der
parlamentarlschen Verfassung in England? Der Sohn des großen
Schöpsers der Reformbill, Graf Grey, der, wie sein Vater, eine Führer-
stellung in der liberalen und whigistischen Partet einnimmt, dlefer selbe Mann
erklärt, daß mit der Übermäßigen Ausdehnung des Wahlrechts der Fort-
bestand der parlamentarischen Regierung und der parlamen-
tarischen Verfaffung unverträglich sei. In Frankreich hat man
das allgemeine Stimmrecht. Als es eingeführt wurde, pflegten Franzbsische
Staatsmänner von gemäßigter Richtung sich wohl auf die Hoffnung zu be-
ziehen, man würde durch die Wirksamkeit dieser Institution allerdings nicht
sofort die Einsicht der Nation zur Herrschaft bringen, sie würden aber die