Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 74—77. Reichensperger. 567 
verbleiben wllrden, als nicht das Bundesgericht selbst zu Stande gekommen 
ist. Ich erlaube mir indessen noch einige Bedenken gegenliber der, wie 
mir scheint, allzu einfachen Farmulirung dleses Gedankens hier anzudeuten, 
indem ich darauf aufmerksam mache, daß das Ober-Appellationsgericht 
in Lübeck nach der Varlage lediglich als Spruchkallegium fungiren 
sall, — daß alsa die Voruntersuchung, wie ich das auch für ganz un- 
bedenklich erachte, dem betreffenden campetenten Instanggericht an- 
heim bleibt. Zweifelhafter #önnte dies hinsichtlich der Frage erscheinen: 
ob auch die Verweisung vor den Strafrichter von den--Landes- 
gerichten zu er folgen habe! Bekanntlich ist das bel dem Kammergericht 
hinsichtlich seiner Thätigkelt als Staatsgerichtshaf nicht der Fall, sandern 
eine Abtheilung desselben hat auch als Anklagesenat zu fungiren. Ein erust- 
licheres Bedenken scheint mir aber sachlich darin zu liegen, daß nach dem 
Jnhalte des Versossungsentwurfs das Ober-Appellationsgericht in 
Lübeck in erster und letzter Instanz erkennen soll. Es ist dies bedenk- 
lich und ich gestehe, es befremdet mich, daß die Staatsregierungen diesen Vor- 
schlag gemacht haben; denn er involvirt in der That eine vielleicht einseitige 
Rechtsauffassung, die nur dann durch einen Instanzenzug nicht vermieden 
werden kann, wenn das erkennende Gericht mit dem hohen Charakter eines 
Bundesgerichts ausgestattet ist. Das Ober-Appellgericht in Lübeck ist aber 
immerhin ein bloßes Territorialgericht, und diesem gegenüber eine Nichtig- 
keitsinstanz nicht vorzubehalten scheint mir in der That bedenklich Ich will 
indessen meinerseits auch darauf hin keinen Antrag richten. Es 
scheint mir, als hätten die Bundesregierungen das größere In- 
teresse, nach der Seite hin eine Varkehrung zu treffen, damit nicht eine 
Einseitigkeit der Rechtsauffassung Platz greise, da ja eine Reibung der Mei- 
nungen zwischen verschiedenen Callegien in der betreffenden Frage gar nicht 
mehr eintreten kann. — Was nun den Artikel 70 d. E. anlangt, so will ich 
auch meine Bedenken gegen den ersten Satz nicht zu hach anschla- 
gen. Ich verkenne zwar nicht, daß die Bestimmungen der älteren 
Bundesgesetzgebung In der betreffenden Materie nach meiner Ueberzen- 
gung vlel besser, viel zweckentsprechender sind. Ich will mir aber 
auch nach der Seite hin nur die Freiheit varbehalten, für etwaige 
Amendements zu stimmen, obgleich deren Verwerfung mich auch nicht 
abhalten wird für den Satz selber zu stimmen, weil nach meinem Dafür- 
halten die eigentlichen Interessenten bei der Frage die Bundesstaatsregierun- 
gen sind; wenn nun diese kein directes Bedenken gegenüber der Formulirung 
des ersten Satzes finden, sa würde auch ich mich am Ende damit bescheiden 
können. Ganz anders steht es dagegen mit dem Schlußsatze des Ar- 
tilel 70. In dieser Beziehung kann ich nicht umhin, die ernstesten Be- 
denken auszusprechen, weil diese Bestimmung in der That die eigent- 
lichsten Lebensinteressen des Deutschen Staatswesens tief ver- 
letzt. Ich bemerke zunächst, daß der Vorschlag des Verfassungsentwurfs eine
	        
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