Artikel 70—77. Wchter. 577
bestellt werde für die Wahrung und Sicherung der Rechte des Bundes;
aber er hat es vergessen, dafür zu sorgen, daß ein Gericht bestellt
werde für die Wahrung der Rechte gegen den Bund, für die Er-
füllung der Verbindlichkeiten des Bundes. Wir haben jene Ersahrung
auch in unsern neuesten Zeiten gemacht. Bei allen Versassungsversuchen
dieses Jahrhunderts war es immer ein Schlußstein der vorgelegten Ver-
sassung, ein Bundesgericht festzustellen: die Vertrauenscommission
der Siebenzehn im Jahre 1848, das Parlament im Jahre 1848,
die Preußische Regierung im Jahre 1819 u. s. w., sie alle haben
gar nicht gezweifelt, daß ein Bundesgericht, wenn man nun einmal
einen Bund auf Grund des Rechtes gründen will, unentbehrlich ist, daß
ein höchstes Organ geschaffen werden muß, bei welchem Recht auch gegen den
Bund zu suchen ist; und während dies bei allen Versassungsversuchen ge-
schehen ist, finden wir hier eine bücke in unserm Entwurs. Es ist
dies ein ungeheurer Rückschritt, und es hat mich, wie ich diesen Artikel
las, lebhaft an die Sibyllinischen Bücher erinnert, da der Entwurs
in manchen Beziehungen eine zweite Auflage der Sibyllinischen Bücher
genannt werden kann; es wird immer weniger geboten, je mehr Eut-
würse wir bekommen, und es ist daher um so mehr zu wünschen,
daß dieser Euntwurs angenommen wird, damit nicht später ein
neuer vorgelegt wird, der noch weniger bietet. (Heiterkeit.) Ich
hofse aber, er wird noch in Manchem ergänzt werden, so daß wir
dann gegenüber der Ersurter Versassung den Gedanken an die
Sibyllinischen Bücher ausgeben könnten. — Ich habe deshalb den
Antrag gestellt, es möchte ein Bundesgericht constik uirt werden.
Allerdings kann ein solches Gericht nicht im Augenbllck ins Leben
treten: dazu ist eine eingehende Gesetzgebung nöthig. Aber ich kann
mich mit den Anträgen nicht befreunden, welche es blos bei die-
sem frommen Wunsche eines künstigen Bundesgerichtes bewen-
den lassen wollen. Es giebt gewisse Verhältnisse, für dir wir jetzt schon
ein Organ haben müssen, welches das volle Vertrauen besitzt, daß es unpar-
teiisch solche Streitigkeiten schlichten würde. Nehmen Sie die oben angeführ-
ten Versassungsstreitigkeiten, und nehmen Sie das Verhältniß, von dem auch
vorhin die Rede war, nämlich Forderungen gegen den Norddeutschen Bund.
Wenn ich in Folge einer Lieserung oder eines Bundesanlehens gegen den
Bund Forderungen zu machen habe, bei welchem Gericht soll ich den Bund
dann verklagen? Sie haben hierfür durchaus kein Gericht. Es ist aber un-
abweislich, Sie mussen ein Gericht geben, wenn Sie wollen, daß das Recht
herrschen soll. Ich habe deshalb namentlich als einen der Hauptpunkte für
die Nothwendigkeit eines Bundesgerichts jene privatrechtlichen Forderungen
gegen den Bund herausgehoben. Ich gebe zu, es kann für manche Forde-
rungen in Beziehung auf den Norddeutschen Bund in der gewöhnlichen Ge-
richtsverfossung der einzelnen Staaten schon ein Organ gefunden werden —
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