Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 20. 21. Sybel. 49 
leicht auch auf die übrigen Staaten ausdehnen lassen. Ich erlaube mir noch 
zum Schluß auf die historische Bemerkung des Herrn Abgeordneten Wagener, 
daß der Cüsarismus in Frankreich nicht die Folge des allgemeinen 
Stimmrechts, sondern lediglich das Ergebniß des unpolitischen und beklagens- 
werthen Verhaltens der Französischen Bourgeoisie gewesen ist, mit einer 
kurzen Bemerkung za entgegnen. Die Französische Bourgeoisie unter 
der Juli-Monarchle hat ganz gewiß nicht das Schauspiel eines idealen 
Verfassungskörpers dargeboten, sie hat eine Menge Fehler in der von dem 
Herrn Abgeordneten Wagener bezeichneten Richtang gemacht; nichtsdestoweni- 
ger ist unter ihrem Regiment Frankreich von Jahr zu Jahr in innerer 
Enwickelung, in materiellem Wohlstande, in geistigem Culturfortschritte ge- 
blieben. Wae den Cäsarismus betrifft, so ist mir damals die Aeuße- 
rung eines hervorragenden Französischen Staatsmannesé bekannt 
geworden, die derselbe gegen einen jetzt leider verstorbenen Preußischen Staats- 
mann etwa im Jahre 1850 gethan hat, wenige Wochen vor dem Staats- 
streich vom 2. December. Er wurde gefragt, ob man denn irgend welche 
Aussicht habe, in den Französischen Zuständen ein solches Regiment ein- 
richten zu können, wie es damals beabsichtigt war, wie es seitdem verwirk- 
licht worden ist. Er sagte, wir haben für ein solches System (oalso 
wie wir jetzt sagen würden, für den Cäsarismus oder Imperialis- 
mus) eine sehr einfache Garantie; unsere Bourgeolsie ist nicht 
zu ir gend einem Widerstande organißirt, die Kraft im Laude, mit 
der wir politische Actionen entscheiden, ist lediglich die materielle 
Kraft, diese materlelle Kraft hat ein Element, das ist der Cle- 
rns; und eln drittes, das sind die Arbeiter, — die werden wir 
bekommen, und was dann sonst von sogenannten geistigen Kräften gegen 
uns ins Feld geführt werden mag, das würde vielleicht bei Ihnen 
in Deautschland von Bedeatung sein, bei uns in Frankreich, wo 
wir seit 60 Jahren daurch revolutionaire Zuckungen pulverisirt sind, bedeutet 
es gar nichts. Sie sehen, melne Herren, in dlesem Ausdrack, was der 
Imperialismue bedeatet, er ist mit einem Worte die Dictatur der 
Democratie. Führen Sie in irgend einem Staatswesen ohne irgend eine 
sonstige Beschränkung durch ein Wahlsystem, wie das Ihnen proponirte, die 
Democratic, die reine Democratie in solchem breiten Umfange ein, so haben 
Sie nach kürzester Frist gar keine andere Wahl, als dir Dictatur dieser 
Democratie zu erschaffen, uud wenn der Herr Abgeordnete Frledenthal uns 
getröftet hat, das Deutsche Könlgthum sei das beste Gegenmittel gegen eine 
derartige democratische Dictatur, so bin ich meinerseits vollkommen einoer- 
standen mit ihm Über den tiefen diametralen Gegensatz zwischen Deutschem 
Königtham und democratischer Dictatur, muß eben deshalb aber dringend 
und warnend bitten, dos Deutsche Könlgthum nicht zu ver- 
falschen, indem man so massive Elemente democratischer Dictatur in den 
Deutschen Bundesstaat einpfropft. 
#a#siallen. L1 4
	        
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