Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

594 Schlichtung von Streitigkeilen 2c. 
mehrfach erklärt worden, daß man mit der hauptsächlichen, in diesem Artikel 
enthaltenen Bestimmung, nach welcher man für die Untersuchung der in 
Artikel 68 ausgezählten Verbrechen und Gesetzesverletzungen einen befon- 
deren Gerlchtshof zu bestellen sich veranlaßt gefunden, einverstanden ge- 
wesen ist. Allein die Bestimmung selbst, von welcher bereits seitens des 
Herrn Bundescommissars erklärt worden ist, daß sie Überhaupt nicht habe 
erschöpsend fein follen, ist auch in der That nichts weniger als erschöpfend. 
Es sehlt in dem gedachten Artikel Alles, was nothwendig ist, um das be- 
treffende Gericht in die Lage zu versetzen dem gegebenen Austrage zu ent- 
sprechen. Der Artikel ist dispositioen Inhalts. Er gilt von dem Momente 
an, wo der Verfassungsentwurf ins Leben treten wird, und von dem Augen- 
blicke an würde alfo das Oberappellationsgericht zu Lllbeck die entscheidende 
Instanz für die gedachten Verbrechen sein, wenn es Uberhaupt sich in der 
Lage befindet, den gedachten Auftrag anzunehmen. Nun fehlt es aber an 
denjenigen Vestimmungen, welche nothwendig sind, um dem Oberappellations. 
gericht zu Lübeck das Material vorzulegen, auf dessen Geund die Entscheidung 
erfolgen soll. Es ist ferner auch die Schlußbestimmung nicht klar genug ge- 
saßt, insofern es in derselben nur lautek, daß das Gericht in erster und letzter 
Instanz zu entscheiden habc. Man weiß nicht, ob durch diese Bestimmung 
die Cassationsinstanz ausgeschlossen ist oder ob mit dieser Beftimmung hat 
gesagt fein sollen, daß das Oberappellationsgericht zu vübeck gleichzeitig die 
Cassationsinstanz bilde und demnach vielleicht in verschiedenen Staaten in der 
betreffenden Untersuchungssache zu entscheiden habe. Ganz erforderlich und 
vor allen Dingen nothwendig ist es, daß Bestimmungen ler das Verfahren 
getroffen werden. Die im Artikel 68 d. E. enkhaltenen Strafbestimmungen er- 
strecken sich über alle Infassen der in dem Norddeutschen Bunde vereinigten 
Staaten. In vielen diefer Länder giebt es bis jetzt verschiedene Strasproceß- 
bestimmungen. Wir in Sachsen haben das öffentliche Strafoersahren vor 
rechtsgelehrten Richtern, dessen Schwerpunkt die Hauptoerhandlung ist. In 
Preußen und andern Ländern sind Schwurgerichte und für verschiedene der 
im Artikel 68 ausgesührten Verbrechen giebt es in einigen Ländern Special= 
gerichtshöse. Nun liegt aber die Frage sehr nahe, auf welche Weise dem 
Oberappellationsgericht zu Lllbeck die Unterlage geschafft werden foll nach den 
verschiedenen jetzt bestehenden Strafproceßordnungen. Soll vor dem Ober- 
appellationsgericht zu LÜbeck auf Grund einer Voruntersuchung eine Haupt- 
verhandlung stattfinden und das Oberappellationsgericht zu Lübeck als rechts- 
gelehrter Gerichtshof allein darliber entscheiden? Oder soll vor dem Ober- 
appellationsgerichts zu Lübeck ein Schwurgerichtshof auftreten und so die 
Untersuchung vor demselben unmittelbar geführt werden? Oder will man 
endlich gar zurückgreisen zu dem alten Inquifitionsverfahren, welches, wie 
ich glaube, blos in einem einzigen Deutschen Staate jetzt noch in Kraft be- 
steht? Alle diese Fragen sehen ihrer Beantwortung enigegen und diese Be- 
antworkung muß erfolgen, wenn der Artikel 69 Überhaupt eine Wirkung haben
	        
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