Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

600 Schlichiung von Sireikigkeiten 2c. 
der Regierung oder von dem Kurfürsten erwidert, er werde sich nicht dar- 
auf einlassen, er habe ja Recht, wozu solle man da noch eine Entscheidung 
hervorrufen; und als in einem andern Falle in Braunschweig die Regierung 
beantragte, daß die Stände sich auf die Entscheidung einlassen möchten, so 
wurde von ihnen erwidert: ja nach der Composition des Schiedegerichts haben 
wir nicht das ersorderliche Vertrauen und können uns deshalb nicht darans 
einlassen. Deshalb würde es natürlich nothwendige Bedingung sein, daß 
beide Theile in gleicher Weise verpflichtet werden, sich aus diesen Weg zu be- 
geben, und daß es im Allgemeinen ausgesprochen würde, daß aus der Wahl 
beider Theile das zu bildende Schiedsgericht hervorgehen soll. — Mein Antrag 
geht denn nun allerdings daraus hin daß alsbald ein definitives oder stän- 
diges Bundesgericht eingerichtet werde. Daß man dafür in gegenwärtiger 
Zeit nicht viel Sympathien findet, das ist leider Gottes nur zu begreiflich, 
denn mir scheint überhaupt, daß die alte gute Deutsche Erfindung, nämlich 
der Rechtssinn, mehr und mehr bei uns in Deutschland verschwindet, daß 
die Achtung vor der Macht des Rechts mehr und mehr bei uns abgenom- 
men hat, wie es leider Gottes bei unseren Nachbarn im Westen längst schon 
der Fall war. Wenn man in einer Zeit lebt, wo man oft hören muß, daß 
gesagt wird, es giebt dem Staate gegenüber oder zwischen Staaten überhaupt 
keine Rechtsfrage, sondern nur politische und Macht fragen — nun, da kann 
eben keine Neigung herrschen, ein Gericht anzuerkennen, welches in streitigen 
Fällen entscheiden soll, mag auch die Sache ihrer Natur nach noch so sehr 
dazu geeignet sein. Nichtsdestoweniger konnte ich mich aber nicht abhalten 
lassen, den Antrag auf Errichtung eines ständigen Bundesgerichts zu stellen, 
um damit mein eligenes Gewissen zu wahren. Einen Antrag aber blos dar. 
auf hin, daß demnächst ein Bundesgericht eingesetzt werde, zu stellen, der 
scheint mir nicht ausreichend zu sein. Es muß nothwendig, wenn die Er- 
süllung einer solchen Bestimmung als gewährleistend erscheinen soll, gleich 
die Competenz des Bundesgerichts sestgestellt werden in den wesentlichsten 
Punkten, wodurch natürlich eine Ausdehmnung derselben in der Zukuaft nicht 
ansgeschlossen wird. Demgemäß habe ich in meinem Antrage den Versuch 
gemacht, die Competenz dieses Bundesgerichts schon jetzt näher zu bezeichnen. 
Es liegt Ihnen der Antrag vor, und nach dem, was ich bereits Über die 
einzelnen Fälle mit Rücksicht auf das frühere Bundesrecht zu bemerken mir 
erlaubte, wird es keiner besonderen Erläuterung derselben bedürsen. Ich will 
nur darauf aufmerksam machen, daß wenn ich Streitigkeiten zwischen Bun- 
desglledern dem Bundsegericht nur insoweit zuweisen will, als sie nicht in 
Gemäßheit dieser Verfassung zur Competenz des Bundespräsidiums oder des 
Bundesraths gehören, damit vollstäudig demjenigen Rechnung getragen wird, 
was man in der Formel geltend gemacht hat, daß Über eigentliche Macht- 
fragen man sich keiner richterlichen Entscheidung unterwerfen könne. Dabei 
konnte ich aber den Ausdruck des Entwurss, welcher bei den Streitigkriten 
zwischen Bundesgliedern einschränkend dahin geht: „sofern dieselben nicht pri-
	        
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