Artilel 76. Braun · Wob. 601
vatrechtlicher Natur und daher von den competenten Gerichtsbehörden zu ent-
scheiden sind“, nicht adoptiren; denn ich finde diesen Ausdruck nicht corrert,
es müßte meiner Meinung nach wenigstens heißen: „insosern sie nicht
ihrer Natur nach, dem Wesen des Rechtsverhältnisses nach, zur Competenz
der Landesgerichte gehören“; sonst kaonn in jedem Falle darllber gestritten
werden, was unter „pritvatrechtlich“ zu verstehen sei? Es kann z. B. lber
einen Vertrag zwischen zwei Bundesstaaten, der eine Art servitus juris publici
oder Anderes zum Gegenstande hat, wobei es sich dem Bunde gegenüber um
Einzelirchte (jura singulorom) und insosern einen Privatrechtstitel handelt,
Streit entstehen, und dabei auf die Ausdrucksweise des Entwurss die völlig
unzulässige Behauptung gegründet werden, daß auch in einem solchen Falle
der eine Theil sich der Entscheidung der Gerichte des andern Theils zu unter-
werfen habe. In Bezug auf die Ubrigen Competenzfälle will ich nur noch
herorheben, daß, was den siebenten Punkt betrifft, „Entscheidung über pri-
vatrechtliche Ansprüche gegen mehrere Bundesstaaten, sosern die Frage, ob
oder in welchem Maße die einzelnen Staaten verpflichtet sind, zweiselhaft
oder bestritten ist“ sich diese Fassung allerdings anlehnt an die bekannte Be-
stimmung in Artikel 30 der Wiener Schlußacte von 1820. Sie ist aber
eine weitere Fassung. Es ist durch die der Nummer gegebene Fassung theile
ausgesprochen, daß nicht etwa, wie es bisher in der Bundespraxis mehrfach
vorgekommen ist, schon damit, daß die verschiedenen Deutschen Staaten er-
klärten: „wir haben keinen Zweifel, oder wir slud einverstanden nichts schuldig
zu sein“, die Sache als erledigt zu betrachten sei, und daß andererseits
die Compekenz des Bundesgrrichtes auch nicht beschränkt werden soll auf die
bloße Vorfrage über Art und Maß der Betheiligung der mehreren Bundes-
glieder bei dem Rechtsverhältniß, welches in Frage steht; sondern es soll in
solchen Sachen, wie sie hier näher bezeichnet worden sind, dem Bundesge-
richte auch die definitive Entscheidung oder rechtliche Erledigung der ganzen
Sache gewahrt werden. Für die Zeit des Provisoriums habe ich im letzten
Theile meines Antrags noch den Vorschlag gemacht, daß in allen diesen Fällen
das Oberappellationsgericht zu Lübeck bis zur Einsetzung eines stäudigen
Bundesgerichts provisorisch als Bundesgericht eintrete. Hiermit glaube ich,
meinen Antrag genligend gerechtfertigt zu haben, so wenig ich auch die Hoff-
nung habe, daß er angenommen wird. (Bravol)
Dr. Lraun (Wiesbaden).“) Meine Herren! Gestatten Sie mir einige
wenige Worte für den in Rede stehenden Artikel des Entwurss und gegen
den Antrag, der eben so ausführlich gerechtfertigt worden ist. Der Herr
Abgeordnete, der den Antrag begründet hat, vermißt in dem gegeuwärtigen
Deutschland den Sinn für Recht, er glaubt, der Rechtssinn sei im Schwin-
den; ich dagegen glaube, der gegenwärtige mächtige Zug in Deutschland geht
*) St. Ber. S. 672.