Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 76. 77. Wiggers. 603 
schriften des gemeinen Rechts, des allgemeinen Rechts und des allgemeinen 
Processes in Anwendung. Man kann den Bund belangen da, wo er con- 
trahirt; man kann ihn da belongen, wo er domicilirt ist — und daß er in 
Berlin domiellirt sel, daran habe ich wenigstens keinen Zweifel. (Heiterkeit; 
Zustimmung.) Ich glaube, darlber wird sich wohl eine Jurisprudenz bald 
ausbilden. Ich bin für den Entwurf deshalb, weil er sagt: in politischen 
Streitigkeiten soll der Bundesrath vermitteln. Nun eine Vermittelung, ein 
Güteversuch schadet doch nie was. Das können wir doch dem Bundesrath 
gönnen! Bringt er eine Vermittelung nicht zu Stande, so soll die Gesetz- 
gebung entscheiden, d. h. der Bundesrath und der Reichstag. Der Reichs- 
tag hat also ein Veto in dieser Sache, und ich denke, er wird einen ver- 
mnftigen Gebrauch davon machen. Unbegreiflich aber ist es für mich, wie 
gerade von jener Seite aus, die fortwährend behauptet, es seien dem Reichs- 
tag zu wenig Rechte eingeräumt, ihm ein so wichtiges Recht, das ihm von 
dem Bundesrathe, von den verbündeten Regierungen bereitwillig entgegenge- 
tragen wird, nun auf einmal wegeskamotirt werden soll! (Lebhaftes 
Bravol) 
Dr. Wigsere (Rostock).?) Meine Herren, ich will auf den Inhalt des 
Artikels 70 selbst mich nicht näher einlassen, als in der Beziehung, daß ich 
mein Bedauern ausdrücke, daß es noch ein Deutsches Land gulebt, 
welches keine Verfassungsstreitigkelten haben kann, weil es keine 
Verfassung hat. (Ohl Ohl rechts.) Es ist das dasjenige Land, welches 
ich dem anwesenden Großherzoglich Strelitzschen Herrn Bundeseommissar 
zu seiner besonderen Berbcksichtigung zu empfehlen mir erlaube, — das un- 
glückliche Land, welches 52 Jahre hat warten müssen auf die Er- 
füllung des Versprechens in Artikel 13 der Deutschen Bundes- 
Acte. — Weshalb ich mich habe gegen den Artikel einschreiben lassen, das 
bezieht sich darauf, weil ich Ihnen einen Zusatzantrag in der Form 
eines besonderen Artikels zu empfehlen wünsche, welcher bestimmt ist, 
eim werthvolle Gabe, die die alte Bundesverfassung von 1815 uns brachte, 
intact zu halten und in dle neue Bundesverfassung zu übernehmen. Meine 
Herren, wir hatten in dem Artikel 29 der Wiener Schlußacte einen Para- 
graphen, welcher dafür sorgte, daß in keinem Deutschen Lande die Rechts- 
paflege verweigert oder gehemmt werden konnte, indem der Deutsche Bundes- 
tag als das Organ bezeichnet war, welches in solchen Fällen Beschwerden 
entgegennahm und üÜber dieselben zu entscheiden hatte. Ich habe nun, mit 
der alleinigen Abänderung, dab ich an die Stelle der Bundesversammlung 
den Bundeêrath gesetzt habe, den Artikel 29 der Wiener Schlußacte 
unverändert in meinen Zusatzantrag ausgenommen und Ihrer gefälligen 
Zustimmung empfohlen. Es ist das, glaube ich, ein höchst bescheldenes 
%% St. Ber. G. 672.
	        
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