Interpellalion wegen Hessen. Biemarck. 615
Interpellanten angeregten Frage in Vertretung der hohen verblindeten Re-
gierungen nur dann bereit erklären können, wenn die Frage von der Groß-
berzoglich Hessischen Reglerung gestellt würde. Der Herr Interpellant ist
von der Voraussetzung ausgegangen, doß der Wunsch der Großherzoglichen
Regierung, das ganze Großherzogthum jetzt in den Norddeutschen Bund auf-
genommen zu sehen, amtlich feststände. Ich kann dies nicht bestätigen. Die
Großherzoglich Hessische Regierung hat uns allerdings in elner Note vom
14. August vorigen Jahres den Wunsch ausgesprochen, mit dem ganzen Groß-
herzogthum in den Bund aufgenommen zu werden. Es geschah dies aber
in einer anderen Lage der Dingr als es die heatige ist. Die Preußische Re-
gierung hatte damals in den Friedensverhandlungen die Forderung gestellt,
das gesommte Oberhessen mit Homburg und Meisenheim der Prenßischen
Monarchie einzuverleiben gegen Entschädigung des Großherzogthums Hessen
auf Kosten Baierns. Um diesen Gebietstausch abzuwehren, bot dle Groß-
herzogliche Regierung, wie aus dem Inhalt der Note vom 14. August zu
ersehen sein würde, den Eiutritt des gesammten Großherzogthums in den
Norddeutschen Bund an. Nachdem jeuer territoriale Anstausch ous anderen
Rücksichten aufgegeben war, hat die Großherzogliche Regierung denselben
Wunsch nicht erneuert. Die verbündeten Regierungen slud weit entfernt, die
Uebelstände zu verkennen, welche aus der Theilung des Großherzogthums in
einen der Gesetzgebung des Norddeuschen Bundes unterworfenen und einen
davon freien Thell hervorgehen. Es ist sogar vorauszusehen, dab diese Uebel-
stände sich noch beträchtlich steigern würden, wenn es nicht gelingen sollte,
dem Zollverein eine weitere Ausdehnung, als das Gebirt des Norddeutschen
Bundes es bedingt, zu erhalten. Wir finden daher die Uebelstände, welche
der Herr Interpellant hervorgehoben hat, nicht nur unzweifelhaft vorhauden
sondern auch die Gefahr, daß sie in Zukunft wachsen könnten. Es komut
dazu, daß das gesammte Großhergogthum schon in wesentlichen Theilen seiner
Organisotion in die Rechtssphäre des Norddeutschen Bundes hlneingezogen
ist, naomentlich in Betreff der Verwaltung der Post und Telegraphie, und,
wie demnächst durch den Abschluß einer Militärconvention zu erwarten steht,
auch in Bezug auf die militärischen Angelegenheiten. Als Aequlvalent dafür,
blleben dem Großherzogthum zu reclamiren die Rechte, die den vorher ange-
deuteten Leistungen entsprächen, nämlich die Rechte einer stärkercn Vertretung
im Bundesrathe wie im Relchstage und die Bürgschaften einer vollen terri-
torialen Garantie, die sich bisher, juristisch wenigstens, auf Rheinhessen und
auf Starckenburg nicht erstreckten. Der Frage, ob nach dem Inhalte des
Prager Friedens die Aufnahme des gesammten Großherzogthums, welches,
von der territorlalen Seite aufgesaßt, zur Hälfte ein Norddeutscher, zur Hälste
ein Süddeutscher Staat ist, Hindernisse entgegenstehen, würden wir näher
treten, sobald uns von der Großherzoglichen Reglerung in amtlicher Form
der Wunsch dazu ausgesprochen würde. Wir würden dann, da wir mit Oester=
reich auf der Basis des Prager Friedens und in Betreff der Auslegung des-