Ariilel 79. Bebel. 619
die, ohne Zweifel von der ehrenwerthesten nationalen Gesinnung dictirt, ganz
einfach erklären wollen: jeder Süddeutsche Staat kann in diesen Bund und
in diese Verfassung eintreten, wann er will, — ohne daß irgend eine Er-
wägung der constitutionellen Rechte des Bundes dann stattzufinden brauchte.
In diesem Sinn also haben wir Ihnen vorgeschlagen, daß der Eintritt eines
der Süddeutschen Staaten nur auf Grund eines Bundesgesetzes, nur auf
ausdrücklichen Antrag, nur nach der Juitiative der Krone Preußen ersolgen
kann. Nach diesen Motiven also empsehle ich Ihnen dringend das Ihnen
vorgelegte Amendement des angegebenen Inhalts zur Annahme. Im Uebrigen
glaube ich, meine Herren, wird für und unseren Süddentschen Genossen gegen-
über die wesentliche Aufgabe darin bestehen, daß wir hier ein Staatswesen
gründen, welches sich die Achtung Deutschlands und die Achtung der Welt
durch seine innere Tüchtigkeit erwirbt. Die verschiedenen Racenankipathien,
die in den letztverflossenen Zeiten zwischen den einzelnen Deutschen Stämmen
und Staaten hervorgetreten sind, haben — das kaun ich aus nächster Ersah-
rung aussprechen — wesentlich ihren Grund darin gehabt, daß die Preußische
Politik der letzten Decennien nicht diejenige Achtung in Süddeutschland sich
verdient hat, die in nationalen Verhältnissen immer das einzige, unerläßliche
Fundament nationaler Zuneigung gewesen ist. Gründen wir hier eine Ver-
fassung, gründen wir hier einen Bundesstaat, der unseren Deutschen Stam-
mesverwandten das Gefühl eines festen Walles gegen das Ausland, das Bild
einer bewehrten Festung gegen jeden fremden Eingriff giebt: dann, meine
Herren, werden wir — mögen sonst die Bestimmungen der Versassung im
Einzelnen lauien, wie sie wollen — das Wirksamste gethan haben, um das
Werk der Deutschen Einheit auch auf Süddeutschem Boden zu besördern!
HBebel (Leipzig).“) Meine Herren, nachdem mir bereits bei Ge-
legenheit der Generaldiscussion und bei Artikel 1 das Wort abge-
schnitten worden ist, freue ich mich um so mehr, noch jetzt gewisser-
maßen vor Thoresschluß zum Wort zu gelangen, um über einen
Artikel zu sprechen, den ich mit für den wichtigsten des ganzen Ver-
fassungsentwurfs halte, über einen Artikel, meine Herren, der in Ver-
bindung mit Artikel 4 des Prager Friedensvertrages und dem
Vortrage, den der Herr Präsident der Bundescommissarken bereits
bei Gelegenheit der Generaldiscussion sowohl als gestern bei
Gelegenheit der Inter pellation der Oberhessischen Abgeordneten
gehalten hate“), mir die feste Ueber zeugung gegeben hat, daß es Preußen
bei der Gründung dieses Norddeutschen Bundes keineswegs um eine
Einigung Deutschlands zu thun gewesen ist, (Lebhafter Wider-
spruch rechts) im Gegentheil, meine Herren, ich behaupte, daß mit der
Gründung dieses Norddeutschen Bundes ein specifisch Preußisches Inter-
5 St. Ber. S. 678.
S. oben S. 614.