Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

622 Verhaliniß zu Suddeuischland. 
eine Majorität gegen die Preußische Regierung herausstellte. Aber, meine 
Herren, das Verhältniß würde sich auch in Bezug auf die Verfassungsfragen, 
in Bezug auf Verfassungsänderungen anders gestalten, wie es jetzt der Fall 
ist. In dem gegenwärtigen Norddeutschen Bundesrath wird Preußen mit 
17 Stimmen, da im Bundesrath 26 außerpreußische Stimmen vorhanden 
sind, und zwei Drittel sämmtlicher Stimmen geullgen zu Verfassungsände- 
rungen, nach Belieben Verfassungsänderungen durchführen, eine jede Verfas- 
sungsänderung gegen seinen Willen aber verhüten können. Dies würde in- 
dessen bei dem Zutritt Süddeutschlands zum Norddeutschen Bunde nicht der 
Fall sein; donn wären die 17 Stimmen Preußens ungenügend an sich, eine 
derartige Zweidrittel-Majorüt zu erzielen. Also, meine Herren, das sind 
meines Erachtens die Gründe, welche die Prcußische Regierung von ihrem 
specifisch Preußischen Standpunkte aus nicht nur heut sondern auch später- 
hin stets veranlassen werden, gegen den Eintritt Süddeutschlands aufzutreten, 
gegen denselben zu stimmen. Man wird sich eben einfach damit begnügen, 
wie jetzt schon der Anfang gemacht ist, daß man Militärconventionen ab- 
schließt, daß man lediglich die Militärgewalt in die Hände bekommt im Falle 
eines Krieges, und im Uebrigen wird man sich damit begnllgen, durch Zoll- 
verträge u. s. w. wenigstens einigermaßen die Kluft, die hervorgebracht ist, 
zu Uberbracken — wohl verstanden zu Üüberbrücken, aber auszafüllen, dazu wird 
man sich nicht herbeilassen. Meine Herren, eine solche Politik zu unter- 
stützen, dazu hobe ich keine Lust, ich muß entschieden dagegen protestiren, daß 
man eine solche Politik eine Deutsche nennt, ich muß entschieden protestiren 
gegen einen Bund, der nicht die Einheit, sondern die Zerreißung Deutschlands 
proclamirt, einen Band, der dazu bestimmt ist, Deutschland zu einer grohen 
Kaserne zu machen, (Lebhafter Widerspruch) um den letzten Rest von 
Freiheit und Volksrecht zu vernichten. Meine Herren, aus diesen Gründen 
werde ich gegen den Artikel 1 stimmen, und schließlich gegen die 
ganze Vorlage. 
Weber (Stade)..) Meine Herren, es ist ein Mißton in unsere Ver- 
sammlung geworfen, aber es ist vielleicht gut, daß dieses geschehen ist, 
damit Gelegenheit gegeben werde, solche Mißtöne wieder in Harmonie auf- 
zulösen. (Sehr gut!) Der Herr Redner hat gesagt, es wäre der Preußi= 
schen Regierung bei ihrem ganzen Bundeswerse nicht darauf angekommen, 
für Deutschland Etwas zu erreichen, sie habe blos die Absicht gehabt, ein 
specifisch Preußisches Reich herzustellen, sie habe nur, wenn ich so fagen soll, 
in ihrem Hauemachtsinteresse den vorjährigen Krieg geflhrt und die vor- 
liegende Bundesverfassung eingebracht. Nun, meine Herren, es sind das eben 
Ansichten der sogenannten großdeutschen Volkspartei, die von diesem Redner aus 
Sachsen, was uns ja Deputirte von allen Ansichten geliefert hat, (Heiterkeit) 
*) St. Ber. S. 679.
	        
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