Artikel 79. Vinckt · H. 643
wird. Meine Herren, ich lasse mir das Urtheil der Geschichte ruhig gefallen.
Ich meine, die Geschichte wird schließlich die Bestrebungen Derer gutheißen,
welche in keiner Weise die Hand dazu bieten wollten, daß Deutschland zer-
rissen werde oder zerrissen bleibe, sondern dafür sorgten nach bestem Vermb-
gen, daß Alles, was Deutsch ist und innerhalb der Grenzmarken des alten
Deutschlands sich befindet, auch in stoatlicher und gescllschaftlicher Gemein-
schaft des Lebens zusammen bleibe.
Freiherr von Vinche (Hagen).“') Die vortrefflichen Vorträge der ver-
ehrten Herren Abgeordneten für Stade und Osnabrück haben eigent-
lich das Princip, was dieser Debatte zu Grunde liegt, so vollständig erschöpft,
daß sich darüber nichts Neues mehr wird sagen lassen. Ich stimme mit
ihnen ich möchte sagen im ganzen Theile ihrer Ausführungen fast voll-
ständig Uberein. Ich habe schon bei früheren Gelegenheiten Üüber das
Verhältniß zu Süddeutschland gesprochen und müßte mich selbst wiederholen,
wenn ich das noch einmal erörtern wollte. Ich bin der Ansicht, daß uns
Allen nur der Satz unseres großen Dichters vorschweben kann. Wir wol-
len den Bund mit der Zeit eben so weit ausdehnen, „soweit die
Deutsche Zunge klin gt und Gott im Himmel Lieder singt“. Aber
wir wollen dabei den Verhältnissen Rechnung tragen, die in diesem
Augenblick Europa sowohl als Dautschland selbst bewegen. Ich werde mir
erlauben von diesem Gesichtspunkte aus die einzelnen Amendements ganz kurz
zu beleuchten, da wie gesagt mir zu sagen sonst kaum etwas übrlg geblie-
ben ist, zunächst das Amendement, welches den Namen Duncker (Berlin)
an der Spitze trägt und für das einer seiner Gestnnungsgenossen vorhin ge-
sprochen hat. Ich könnte ihm, wenn ich an das Princip erinuere, welches
aufzustellen ich mir eben erloubt habe, den Vorwurf machen, daß es von
diesem idealen Standpunkte aus nicht weit genug geht, obwohl die ver-
ehrten Herren die Absicht gehabt haben, ihrer Ansicht so weit Geltung zu
verschaffen als irgend möglich. Denn wenn hier gesagt worden ist: die
ehemaligen Deutschen Bundesländer“, so genügt mir das für die gauze Ent-
wickelung der Deutschen Zukunft in keiner Weise. Ich erinnere daran, wenn
ich an den citirten Arndt'schen Spruch denke, daß es doch noch Länder giebt,
welche nicht zu den ehemaligen Bundesländern gehören, wo aber gewiß
doch „die Deutsche Zunge klingt und Gott im Himmel Lieder singt“. Also“
diese Zukunst wollen wir uns denn doch in keiner Weise verschränkt wissen.
Dann aber hat der Herr Abgeordnete doch, wie ich glauben möchte, wenigstens
in den Motiven umgekehrt sein Ziel sich zu weit gesteckt. Er hat von
dem Rechte gesprochen, welches wir unsererseits auf den Beltritt hätten und
welches die Üübrigen Deutschen Bundesländer ihrerseits besähen, dem Nord-
deutschen Bunde beizutreten. Weun man die Bedürfnisse der Natio-
%) Gt. Ber. G. 686.
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