644 Berhältniß zu Söddeutschland.
nalität ein Recht nennen will — was meiner Ansicht nach doch sehr un-
eigentlich gesprochen wäre — könnte ich ihm beistimmen, aber ein forma-
les Recht, welches auf irgend einem Vertrage, einem Gesetze, etwa der
frllheren Deutschen Bundesverfassung oder der erloschenen Verfassung des
Deutschen Relches beruhte und daraus herzuleilen wäre, nachzuweisen möchte
doch dem verehrten Herrn Abgeordneten sehr schwer werden. Dann aber,
wenn auch dieses Recht bestände, könnte es doch in dieser Fassung keines-
wegs realisirt werden. Er hat gesagt: „den ehemaligen Deutschen Bundes-
ländern, so weit sie die Bedingungen dieser Verfassung zu erfüllen im Stande
und gewillt sind, steht der Eintritt in den Norddeutschen Bund jederzeit frei.“
Nun, meine Herren, auf Grund dieser Verfassung, wie sie hier aus
der Vorberathung — wie ich es diesen Augenblick einmal annehmen will —
hervorgegangen ist, werden wir doch nimmermehr unsere Sliddeutschen Br-
der in den Bund eintreten lassen können. Es wird glaube ich, worauf von
mehreren Seiten schon hingewiesen worden ist, wesentlicher Modificationen —
ich will nur an Artikel 6 erinnern — bedürfen, wenn der Zutritt anderer
Deutscher Staaten stattfinden sollte. Also die Bedingungen in dieser Ber-
fassung zu erfüllen, kann nicht genügen. Wir überzeugen uns, wenn wir
nur oberflächlich die Versassung ansehen, dab darin von den Süddeutschen
Staaten nirgendwo die Rede ist. Andererseits kann aber auch ein Bundes-
gesetz nicht sofort Uber ihre Aufnahme entscheiden. Denn nothwendig wer-
den wir erst darüber einen Vertrag schließen müssen, in welchem — wie das
in dem Amendement Lasker ausdrücklich gesagt worden ist — sowohl die
Reglerungen als auch die Landesvertretungen der betreffenden Deutschen
Staaten sich bereit erklären, nicht bloß in den Bund einzutreten, sondern
durch den Zutritt ihrer Abgeordneten zu elnem ad boc wieder zu berufenden
constituirenden Reichstage mit uns vereint die Bedingungen festzustellen, unter
welchen sie zutreten werden. Also ein Bundesgesetz ohne Weiteres,
ehe sie selbst noch beigetrten sind, sind wir weder im Stande unsererseits zu
erlassen noch können wir es mit ihnen erlassen, ehe fie sich vertragsmäßig
bereit erklärt haben, unserer Versammlung anzugehbren und unter gewissen
Bedingungen beizutreten. In der Form, wie es gestellt worden ist, halte
ich also das Amendement für unannehmbar. Ich will bei dieser Gelegen-
heit nicht untersuchen, wie viel Sympathien und Amipathien wir in Sild-
deutschland besiten. Nur darin möchte ich dem Herrn Abgeordneten, wie ich
dies frlher im Abgeordnetenhause bereits gethan habe, widersprrchen, daß es
blos der Mangel an verfassungsmäßigen Garantien wäre, welcher
bieher eine Art Widerwillen gegen uns in Süddeutschland erzeugt hütte.
Meine Herren, nehmen Sie die Zeiten der neuen Aera, welche Sie bei so
vielen Gelegenheiten gepriesen haben, und glauben Sie mir, in jener Zeit
waren — schlagen Sie sich irgend ein beliebiges Blatt in Süddeutschland
auf, welches irgendwie als Maßstab der damaligen dffentliche Meinung be-
trachtet werden könnte — die Sympathien für Preußen dort wahrhaftig nicht