Artikel 79. Biacke. H. 647
Freiherr von Vincke fortfahrend. Auf unarticulirte Töne kann ich
nicht antworten. (Große Heiterkelt.) Also, meine Herren, ein Amendement,
das ich dahin charakterisirt habe, daß es nur geeignet wäre, uns Verlegen-
heiten zu bereiten, erlauben Sie mir zu verlassen. Ich komme nun zu dem
Amendement, das meiner Ansicht am nächsten steht, das von dem Abgrord-
neten Lasker und Miauel eingebrachte, einen neuen Artikel hinter Artikel 71
des Entswurfs hinzuzusügen. Ich will diesem Amendement gegenliber zu-
nächst sehr gern sagen, daß es meine lebhaftesten Sympathien erweckt, daß
ich glaube, es ist aus dem Bedürsniß hervorgegangen, wie die Antragsteller
selbst es motivirt haben, hier von Seiten des Reichstages, das heißt der
Volksvertretung des Norddeutschen Bundee nicht bloß durch Reden sondern
auch durch Elnsügung eines bestimmten Artikels in unsere Versassung eine
lebhaste Sympathie und das lebhafte Verlangen zu erkennen zu
geben, daß die Süddeutschen Staaten uns möglichst bald angchören mögen.
Dies Verlangen theile ich aus das Entschiedenste. Ich will über Kleinig-
keiten der Fassung nicht hadern, die sogar die Antragsteller selbst, wie mir
schien, hier hervorgehoben haben. Denn wenn zum Beispiel hier gesagt
worden ist, daß der Eintritt um Wege der Gesetzgebung vermittelt wer-
den solle, so hat der Herr Abgeordnete für Osnabrück selbst bereits hervor-
gehoben, daß es eigentlich dazu, und ich glaube nothwendig, einer Ver-
fassungsveränderung bedlirfe, und wenn wir selbst in unferer Versassung
den Grundsatz niedergelegt haben, daß die Versassung unter zwar immerhin
leichten aber doch erschwerenden Formen abgeündert werden kann, so glaube
ich, wir wurden nicht wohlthun, geradezu gegen diesen von uns sanctionirten
Grundsatz zu handeln und nun für einen Fall, der unbedingt eine Ver-
sassungsänderung involvirt, nur den Weg der Bundesgesetzgebung vorzuschrei-
ben. Man könnte auch noch sagen, dah dem Worte „Bundespräsidium“,
was nur die Beschlüsse des Bundesrathe in dieser Beziehung vorzulegen hat,
eigentlich das Wort „Bundesrath“ vielleicht zu substituiren wäre. Ich will
indeß, wie gefagt, über so kleinliche Bedenken nicht hadern, wenn mich der
Gedanke selbst auf das Lebhasteste besriedigt. Ich will vielmehr sagen, das
Einzige, was ein Hinderniß sein könnte, dem Amendement zuzustimmen, würe,
wenn ich die Ansicht hegen müßte, daß es der Regierung in diesem Augen-
blicke für ihre diplomatische Situation, für die Situation, die jetzt Europa
üÜberhaupt bestimmt, wesentliche Verlegenheiten bereitete. Von meinem Stand-
punkte aus vermag ich das aber in der That nicht einzusehen. Ich bin
vielmehr umgekehrt der Ansicht, daß ein solcher Ausdruck der Sympathien
nach dieser Richtung hin gerade bei der gegenwärtigen Europäischen Con-
stellation der Regierung nur angenehm sein könnte. Es giebt freilich eine
Menge Annehmlichkeiten, zu denen man sich in einer Stellung, in der sich
die Regierung befindet, nicht geradezu disertis verbis bekennen kann. Ich
kann mir den Fall sehr wohl denken, daß der Herr Ministerpräsident nach
her mit einer gewissen Entschiedenheit gegen das Amendement plaidirt, sich