650 Verhältniß zu Süddeutschland.
welcher die Kaiserlich Oesterreichische Regierung zustimmt, sondern von
einer neuen Gestaltung Deutschlands. Der Begriff wird da-
durch erläutert, daß der Nachsatz solgt: „Deutschlands ohne Be-
theiligung des Oesterreichischen Kaiserstaates“. Also es ist zu-
gestimmt zu einer Neugestaltung derjenigen Bestandtheile des
srüheren Deutschen Bundes, welcher nach dem Ausscheiden der
Oesterreichischen Theile des Bundesterritoriums übrig war. Es
ist serner in der dritten Zeile vor dem Schluß des Artikels von der
nationalen Berbindung Süddeutschlands mit dem Norddeutsches
Bunde gesprochen, also nicht von einer internatlonalen, welches Wort
ausdrücklich in demselben Artikel auf die Bezlehungen Säddentsch-
lands zum Auslande seine Anwendung gefunden hat. Wenn ich
nichts destoweniger die Frage, ob der Eintritt der Süddeutschen Stan-
ten mit diesem Artikel verträglich ist, einseitig nicht bejahen möchte,
sondern ihre Beantwortung im Ein verständniß mit der Kaiserlich
Oesterreichischen Regierung finden möchte, so bewegt mich dazu der
Umstand, daß eine der Prämissen, welche der Artikel 4 ausstellt,
in der Kette sehlt: das ist nämlich das Zustandekommen des
Süddeutschen Bundes. Wäre dieser zu Stande gekommen oder
hätte er Aussicht dazu, so ist meine Ueberzeugung daß, wenn im Norden
ein Parlament tagt auf einer nationalen Basis, im Süden ein ähn-
liches, diese beiden Parlamente nicht länger ausein ander zu hal-
ten sein würden, als etwa die Gewässer des rothen Meeres, nach-
dem der Durchmarsch erfolgt war. (Heiterkeit.) Diese Prämisse
fehlt biehcr, und wir möchten bei der Ueberzeugung, daß die nationale Za-
sammengehörigkeit ihre Sanction durch die Geschichte dereinst ganz zweisellos
empsangen wird, über die Frage, ob dies sosort, und in welcher Form, ge-
schehen kann, nicht in Meinungsverschiedenheit mit der Kaiserlich Oesterreichi-
schen Regierung über die Auslegung des eben zwischen uns geschlossenen
Friedensvertrages gerathen, indem wir dieser Auslegung einseitig vorgriffen.
Im Uebrigen bin ich auch der Meinung, daß der Unterschied zwi-
schen dem Amendement Miquel-Lasker und dem Texte des Ar-
tikels 71 d. E. so sehr erheblich in der Praxis nicht ist. Des
Amendement behält dem Präsidium — oder wie man richtiger sagen würde, —
dem Bundesrathe die Initiative vor, und im Bundesrath würde voraussicht-
lich das Präsidium die Initiative zu nehmen haben. Das Bundespräsidiun
würde unzweiselhaft mit dieser Initiative doch so lange warten, bis es die-
jenigen Verhandlungen geführt hat, die in dem Artikel 71 d. E. vorgesehen
sind, und es sich durch den Verlauf der Verhandlungen überzeugt haben
würde, daß der Moment eingetreten sei, wo im Sinne des Amendements
vorgegangen werden kann, ohne daß wegen der Verfrühung eines Momentes,
der später doch eintritt, das Vorgehen mit Zerwürfnissen zwischen den Con-
trahenten des Prager Friedens verbunden sei. Aue diesen Gründen