Kantal. 655
t#antak aus Posen (Inowraclaw-Mogilno).“) Ich habe nicht die Ab-
sicht, meine Herren, eine Rede zu halten, und ich glaube, ich werde mich von
hier so verständlich machen, wie irgend einer der Redner in diesem Hohen
Hause. Nachdem wir, meine Herren, bei dem Artikel 1 des Verfassungs-
entwurfs unseren Protest eingereicht und damit unsere Rechte gewahrt hat-
ten, konnten wir nicht die Absicht haben, im Laufe der Vorbera-
thung dieses Entwurfs noch einmal das Wort zuergreifen. Wenn
wir trotzdem hier geblieben sind, thaten wir dies, um zu sehen, ob
uns etwa nicht die weiteren Ver handlungen Gelegenheit oder
VBeranlassung bieten würden, Behufs Wahrung dieser unserer
Rechte noch einmual das Wort zu ergreisen. Auch dies war nicht
der Fall. Wenn ich nun trotzdem für einen Augenblick Sie noch
beschäftige und abhalte, so ist die Ver anlassung davon uur das Amende-
ment Scherer, welches erst heute vertheilt worden ist. Dieses Amende-
ment, meine Herren, will in dem Eingang des Verfassungsentwurfs, wo die
Rede ist von der Feststellung der Verfassung, hinzuslgen: „in Uebereinstim-
mung mit der zum ersten Norddeutschen Reichstage berusenen Gesammtver-
tretung des Norddeutschen Volkes festgestellten Verfassung“. Der erste Theil
dieses Amendements, die Worte „in Uebereinstimmung"“, häütte mich auch noch
nicht zu einer Beantwortung hervorgerusen, denn daß wir, ich und meine
Landsleute, mit dem Verfassungsentwurfe nicht übereinstimmen, und die
Gründe dafür — das glaube ich, ist den Herren wohl bereits klar geworden.
Es ist nur der Zusatz berusene Gesammtvertretung des Norddeut-
schen Bolkes“, gegen den ich ein Wort zu sagen habe. Hier will
ich, meine Herren, sehr gerne absehen von dem Ausdruck „Norddeutsches
Volk“. Ich maße mir keine zu genaue Kenntniß der Deutschen
Sprache an, ich habe aber nachgefragt unter bekannten hervorragenden
Mitgliedern dieser Versammlung und von ihnen die Antwort erhalten, daß
sie ein „Norddeutsches Volk"“ Überhaupt nicht kennen, dab sie
Norddeutsche Staaten kennen, aber von Norddeutschem und Süd-
deutschem Volke sei ihnen nichts bekannt. (Sehr gut! Sehr richtigl)
Wenn nun aber, meine Herren, diese Sache noch irgend einen Sinn
haben soll, so kann sie nur den haben, daß überhaupt von einer Vertretung
des Deutschen Volkes die Rede ist, mag es nun Norddeutsch oder Süd-
deutsch sein. Wenn man diesen Sinn hineinlegen will, so will ich nichts
weiter, melne Herren, als daß nicht zesagt werde, ich und meine Landeleute,
wir hätten diesen Passus vorlber gehen lassen, ohne Verwahrung dagegen
einzulegen. Ich erkläre also kurz und bündig: Man kann uns zwar
uöthigen und zwingen, irgend einem Norddeutschen Bundesstaate anzuge-
hören, aber uns zwingen, einem Deutschen Volke, sei es Norddeutsch oder
Sthüddeutsch, anzugehören, das ist in Niemandes Macht. Also gegen diesen
4 St. Ber. S. 691 I. u.