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ablehnen könne, was In diesem Reichstag beschlossen lst. Ich glaube auch,
daß das sehr schwer halten würde, aber daß selbst noch dem, wie die Ver-
fassung jetzt aus der Vorberathung hervorgegangen ist, eine große Resig-
nation für einen Theil der Prrußischen Landesvertretung dazu gehören wird,
der Reichsversassung zuzustimmen, daß nur die Rücksicht auf den großen histo-
rischen Zweck der Einigung die Preußische Laudesvertretung wird bestimmen
können, auf wesentliche und wichtige Rechte nicht blos für sich zu verzichten
sondern mindestens für eine Zeit laug für die Volksoertretung Überhaupt.
Melne Herren, es würe vergeblich, zu glauben, daß für dle Bundes-
verfassung, wle sie jetzt vorliegt, ein Enthusiasmus im Volle
entstehen könntr. (Schr richtigt) Wie im Jahre 1815 patriotische
Herzen hochschlugen für dle gewaltigen Ersolge, die Preußen und Deutsch-
land dem Auslande gegenber errungen hatte, so wenig aber damals von
einem politisch denkenden Mann verlangt werden konnte, daß
er einen patriotischen Enthusiasmus empfinden sollte für die
Bundesacte von 1815, in ähnlicher Weise, meine Herren, werden Sie
auch jetzt von einem großen Theile des Deutschen Volkes nicht verlangen
können, daß es sich für dieses Werl erwärmen sollte. (Hört!) Es wird diese
Versassung als ein Werk der Noth betrachten, als ein Werk, wel-
ches aus Compromissen zwischen verschiedenen Rücksichten und Interessen
hervorgegangen, welches aber nicht den Hoffnungen und Forderungen
entspricht, welche Viele durch dieses Werk realisirt zu sehen hofften. Wenn
nun an diese Seite des Hauses immer wieder die Mahnung ergeht: wir soll-
ten nicht zu viel verlangen, wir sollten resigniren, wir dürsten nicht Partei-
wünsche und Parteistellungen geltend machen, um das Zustandekommen des
großen Werkes zu hindern, — meine Herren, dann sind wir auch berechtigt, an
die andere Seite des Hauses und an die Regierungen die Mahnung zu rich-
ten: das Zustandekommen des Werkes nicht dadurch zu erschweren, daß ung
Dinge zugemuthet werden, zu denen wir uns nicht verstehen können. Herr
von Vincke hat mir und meinen Freunden den Vorwurf gemacht, daß wir
zusammengingen mit Denen, von denen wir selbst zum Theil annehmen müß-
ten, daß sie gegen das Werk üÜberhaupt seien, Denen, die Herr von Vincke
als Particularisten und Demokraten und deshalb als grundsägzliche Gegner
des Werkes bezeichnet hat. Meim Herren, wir haben allerdings in vielen con-
stitutionellen Fragen mit Mitgliedern des Hauses zusammengestimmt, mit
denen wir nicht eben in unseren Gesinnungen und in unseren Anschauungen
über das vorliegende Werk eng verbunden sind, aber eine Ursache, daß wir
für manche Bestimmungen nur eine kleine und schwankende Majorität mit
Hülfe solcher Mitglieder erreicht haben, die Ursache dasar liegt zum Theil
an Herrn von Vincke und seinen Freunden. Als wir in den Reichstag ein-
traten, glaubten wir für die Aufrechthaltung mancher conftitutionellen Grund-
sätze auf Herrn von Vlucke und seine Freunde zählen zu können. Da die
uns aber in den wesentlichsten constitutionellen Fragen im Siiche gelassen,
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