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und es gehört ein längeres politisches öffentliches Leben dazu, um diese Begriffe
zu corrlglren. Nun, meine Herren, behaupte ich, der Begriff der Beleidlgung
und der Ehre, der bei den hier bemängelten Preußlschen Erkenntulssen zu
Grunde gelegt ist, dieser Begriff beweist mir nicht, und hat mir In olelen
Fällen, welche durch öffentliche Blätter zu unserer Kenniniß gelangt sind,
nicht bewiesen, daß die Preußischen Richter eine Beleidlgung zu milde
bestraft haben, sondern umgekehrt, daß sie n der Annahme des That-
bestan des einer Beleidigung zu lelcht waren. Wenn, meine Herren,
der Begriff der Beleidigung und der politischen Ehre ein festerer sein wird,
wenn nicht eln Politiker schon durch den Hauch eines Wortes sich geschädigt
und in seiner Ehre getroffen fühlt, dann, meine Herren, werden wir weniger
PFreßver urtheilungen, weniger Beleidigungen wegen Amtsehrenkränkungen haben.
Aber vielleicht werden wir dann in den Fällen der Verurtheilung auch stren-
gere Strafen haben und Beides dürfte meines Erachtens viel gesünder und
richtiger sein. Meine Herren, es ist gegen die Theilnahme der Be-
amten an den Berathungen des Reichstages angeführt: die Col-
lision ihrer Stellung als Beamte mit der Stellung als Ab-
geordnete, eine Collision, welche sie dazu bringen kann, daß sie genöthigt
sind, ihrem Chef im Relchstage Wahrheiten zu sagen, die sich mit
der Beamtencourtoisie nicht verträgt. Melne Herren, das ist eln
Motiv und ein Moment, hergenommen aus den Erfahrungen unserer letzten
Preußischen Bergangenheit. Melne Herren, ich rechne bestimmt auf
die Zustimmung aller Selten dieses Hauses, wenn ich glanbe, es ist nichts
anrichtiger, als zu exemplifielren von den Erfahrungen unserer
letzten Jahre aus. Diese letzten Jahre waren nach jeder Seite
hin so ausnahmswelse, daß ich glaube, es wird eine Zeit kommen, wo
man jedes Argument, hergenommen aus dieser Zeit, zurlckweisen wird mit
dem Ausdrucke: sa, das waren ausnahmsweise Zeiten. Meine Herren!
Die Indemnität, die das Preußische Abgeordnetenhaus dem Ministerium
bewilligt hat mit der Zustimmung der großen Majorität des Landes, dürfte
sich auch wohl beziehen auf alles das, was sonst in den Jahren
vorgegangen ist. (Ruf: Zur Sache!) Das Argument also, meine Her-
ren, das daraus hergenommen ist, um die Unzuträglichkeiten der Beamten-
wählbarkeit zu beweisen — und insofern glaube ich äußerst sehr bei der Sache
zu sein — dies Argument ist meines Erachtens durchaus ganz
hinfälllg. Nun erwägen Sie aber noch die specielle Lage, in
welche die Beamten hier auf dem Reichstage nur kommen können. Welche
Beamten stehen denn hier Überhaupt den Regierungen gegen-
über? dle Beamten der Einzelstaaten. Und wer steht ihnen
gegenüber? nicht ihr Ressortchef, sondern die Organe der Bundes-
gewalt. Also, meine Herren, es glebt zwischen den Beamten der Einzel-
slagten und den Organen des Bundes keine unmittelbaren Bezlehungen.
Die würden nur sein zwischen den Bundesbeamten und den Vertretern der